Die Arbeit hatte ihn krank gemacht
Bei Gate Gourmet am Flughafen Kloten finden Menschen mit psychischen Problemen zurück in den Berufsalltag. Einigen gelingt gar ein weiterer Schritt.

Konzentriert schneidet Peter Chua Koriander. Wie er es immer getan hat. Manchmal blickt er hinaus zu den Flugzeugen, die starten und landen. Es sind viele momentan. Ferienzeit. Es ist laut rund um Chua, dem Mann mit der kleinen Statur und dem wachen Blick. «Hier habe ich meine Traumstelle gefunden», sagt der 52-Jährige in gebrochenem Deutsch. Bei Gate Gourmet am Flughafen Zürich.
Das Unternehmen beliefert die Swiss und andere international tätige Airlines mit Essen und anderen in der Flugzeugkabine benötigten Utensilien wie Besteck, Servietten oder Minibargetränken. Das Unternehmen ist nicht nur in Sachen Ferienstimmung einen Schritt weiter als andere Firmen. Gate Gourmet hilft Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, im Arbeitsmarkt wieder Fuss zu fassen.
Peter Chua sprach nicht immer positiv über seinen Job. In Singapur aufgewachsen, arbeitete er 20 Jahre lang in diversen China-Restaurants in und um Zürich. Eine Zeit lang führte er ein eigenes Restaurant. Egal in welcher Funktion, Chua arbeitete täglich mindestens 12 Stunden bis spät in die Nacht. Seine drei heranwachsenden Kinder sah er kaum. In der Nacht konnte er nicht schlafen, tagsüber fehlte die Konzentration. «Es kam langsam», sagt Chua. Irgendwann mochte er die Küche nicht mehr betreten. Die Arbeit hatte ihn krank gemacht. Der Arzt verwies ihn an die Stiftung Wisli. «Da könne mir jemand helfen, hat er gesagt. Doch ich glaubte ihm nicht.»
Verantwortung tragen
Die Stiftung in Bülach ist darauf spezialisiert, Menschen mit einer psychischen oder sozialen Beeinträchtigung zu unterstützen, insbesondere im Bereich Arbeit. 684 Klienten wurden 2017 bei der Arbeit in Tagesstätten oder geschützten Werkstätten und in der Arbeitsintegration begleitet. Seit 2008 bietet die durch Spenden finanzierte Stiftung als Partner von Gate Gourmet Arbeitsplätze für Leute, die von der Invaliden- oder einer anderen Sozialversicherung in ein Integrationsprogramm eingebunden sind. 80 der rund 1000 Gate-Gourmet- Arbeitsplätze laufen über Wisli Gate Catering. Ihre Uniformen unterscheiden sich nicht, bloss erledigen sie Arbeiten, die keine Vorkenntnisse und kurze Einarbeitungszeiten erfordern.
Markus Gfeller, Managing Director Switzerland bei Gate Gourmet, war der Vordenker der Zusammenarbeit. «Ich wollte, dass unser Unternehmen einen Teil der sozialen Verantwortung trägt», sagt er. Gate Gourmet bot die Aufträge, ein Fachbetrieb sollte das Organisatorische übernehmen. Die Stiftung Wisli liess sich nicht zweimal bitten. Geschäftsführer Martin Bieber sagt: «Die Arbeit bei Gate Gourmet erfordert Genauigkeit und Disziplin, dafür werden die Klienten mit Ferienatmosphäre entschädigt.» Die Brückenbauerin ist Claudia Angst. Als einstige Gate-Gourmet-Mitarbeiterin leitet die Arbeitsagogin die Abteilung Gate Catering. Sie sagt: «Wir begleiten die Klienten mit dem Ziel, dass sie irgendwann selber weitergehen können.»
Leichtere Arbeit am Anfang
Im Wisli begann Peter Chua bei Gate Catering. Er sortierte täglich einen Teil der zwei bis drei Tonnen Metallbesteck, reinigte Pfeffermühlen oder rollte Servietten. Arbeitsagogen unterstützten ihn vor Ort. Doch damals war er noch nicht bereit für den Grossbetrieb. In der geschützten Velowerkstatt im Wisli fühlte er sich wohler. Schon bald kehrte er aber zum Besteck zurück und zu Thomas Müller, der in Wirklichkeit anders heisst.
Müller, heute Ende 30, bedient die Maschine, die Messer und Gabeln in Kunststoffhüllen verschweisst. Solche mit undichten Nähten sortiert Müller aus, die anderen schichtet er in Kisten. Er arbeitet akribisch, blickt kaum auf, stapelt immer neun Kisten aufeinander. «Sonst komm ich nicht mehr hoch», sagt er.
Mit 30 Jahren kam der Zürcher Oberländer zum Wisli. Er hatte glücklos als Hauswirtschaftspraktiker gearbeitet, irgendwann konnte er sich nicht mehr für die Arbeit aufraffen. «Damals hatte ich mich völlig verloren», sagt er. Im Wisli fand er Halt und die Kontrolle über sein Leben zurück. Heute kann er acht Stunden arbeiten. Müller sagt: «Ich habe einen Job, einen Lohn und Anerkennung.» Das genügt.
Hohe Quote
Ein Drittel der Mitarbeiter bei Gate Gourmet bleibt länger im Projekt. Gate-Gourmet-Direktor Gfeller zieht dennoch eine positive Bilanz: «Seit der Integration ist unsere Betriebskultur unverkrampfter.» Für andere ist Gate Catering das Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt – knapp ein Viertel aller Mitarbeiter haben diesen Schritt in den letzten zehn Jahren geschafft.
Peter Chua ist einer von ihnen. Er wechselte bald in die Küchenabteilung. «Es fiel mir leicht, Rezepte nachzukochen. Da war die Freude am Beruf zurück.» Heute produziert Peter Chua warme Gerichte für asiatische Kunden und entwickelt in der Testküche asiatische Speisen mit. Unterstützung braucht er keine mehr. Chua sagt: «Der Arzt hatte recht.»
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