Enttäuschung an der Tour de SkiDie Aussagen von Dario Cologna lassen aufhorchen
Der Bündner startet auf der Lenzerheide bescheiden in seine letzte Tour. Es braucht ein Wunder, damit sein finales Ziel an den Spielen noch möglich wird.

Ein kurzes Überholmanöver legte die Kräfteverhältnisse offen: Iivo Niskanen rauschte mit der Nummer 36 an Dario Cologna vorbei. 90 Sekunden nach Cologna war der Finne in diesem Einzelrennen über 15 km klassisch ins Rennen gegangen. Kurz vor dem Ziel aber preschte der spätere Sieger am Bündner vorbei, als handelte es sich bei diesem um einen Athleten der zweiten Stärkeklasse.
Souverän klatschte Cologna nach dieser zweiten Etappe der Tour de Ski auf der Lenzerheide zwar mit Niskanen ab. Aber er wusste natürlich, dass ihm da einer den Meister so richtig gezeigt hatte – und neben Niskanen manch anderer auch. Denn bloss als 20. klassierte sich Cologna.
Der erneute Stockbruch
Einen Motivationsbooster wollte sich Cologna holen – nach schwachen Leistungen am Weltcup in Davos. Doch selbst mit rosa Brille kann man nun beim nächsten Zwischenschritt hin zu den Spielen maximal einen klitzekleinen Formanstieg erkennen. Hatte er über die gleiche Distanz in Davos nicht noch etwas mehr Zeit auf die Besten eingebüsst – und nun auf der Lenzerheide gar einen Stockbruch hinnehmen müssen?

Selbst wenn also jedes positive Argument miteinbezogen wird, bleibt der Eindruck: Es müsste sich in den fünf Wochen bis zu den Olympischen Spielen in China schon ein Wunder ereignen, damit der 35-Jährige tatsächlich seine finale Medaillenchance erhält. Und diese Medaille bleibt gemäss eigener Aussage sein finales Ziel, auch wenn er abermals betonte, dass dafür wirklich alles, alles aufgehen müsse.
Es waren rund um seinen Abschied an Weltcuprennen in der Schweiz aber zwei andere Aussagen, die aufhorchen liessen. Die erste: Er wolle sich an dieser Tour zumindest in einzelnen Etappen den Top 10 annähern. Das ist für einen Sportler seines Palmarès eine maximal defensive Vorgabe.
Auffälliger noch war eine zweite Aussage: dass er im Dezember wohl etwas zu viel trainiert habe, müde geworden sei – und darum in der Vorbereitung auf die Tour habe Trainingsstunden reduzieren müssen. Ausgerechnet Cologna also, der sich zeit seiner Karriere über sehr hohe Volumen definierte, überrascht sich just im finalen Winter (und zur Unzeit).
Der Glaube leidet
Ob er tatsächlich überpowerte oder ob er mit dem Älterwerden schlicht diese vielen Trainingsstunden nicht mehr wie gewohnt wegsteckt, ist im Prinzip einerlei. Es zeigt, wie sehr ihm der Rückstand auf die Schnellsten bewusst ist. Ergo hat er ihn mit seinem klassischen Ansatz zu verringern versucht – was bislang wenig brachte.
Darum wird die Zeit bis zu den Spielen nun knapp. Zumal Cologna sagt: «Ein paar gute Einzelrennen wären wichtig.» Schliesslich braucht es neben der entsprechenden Physis auch den Glauben an sich.
Deshalb sprach er über diese 15 km klassisch, wie sie dann auch an den Spielen ausgetragen werden, von einer «wichtigen» Standortbestimmung. Es klang darum eher fatalistisch als trotzig, als er nach dem 20. Rang sagte: «Ich weiss, dass ich noch mehr kann.»
Christian Brüngger ist Redaktor, kam mit 23 Jahren zum Sport-Ressort, reiste lange durch die (Sport-)Welt und sitzt nach der Geburt des ersten Buben vermehrt auf dem Bürostuhl. Schreibt gerne im Grenzbereich zwischen Sport und Gesellschaft. Studierte Geschichte und Filmwissenschaften in Zürich.
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