Die Bad Boys dürfen zurückkehren
Sexuelle Belästigung als Karrierekiller? Nicht so im Silicon Valley. Dort ist ein solcher Skandal oftmals nur der Auftakt zu neuen Abenteuern.

Die #MeToo-Bewegung hätte ohne mutige Frauen im Silicon Valley kaum so rasch und umfassend an Schwung gewinnen können. Ellen Pao bei Kleiner Perkins oder Susan Fowler bei Uber machten die sexuelle Belästigung durch Vorgesetzte zum Thema und führten dadurch viele Unternehmen zu einer Nulltoleranz-Politik. Doch das Pendel beginnt zurückzuschlagen. Nicht in den grossen Firmen, aber in Nischen des Silicon Valley, wo vor sieben Jahren die ersten Skandale aufflogen.
Travis Kalanick, der Gründer von Uber, musste mit dem Neustart nicht lange warten. Nach seinem Abgang beim Taxidienstleister im Juni 2017 suchte er unter anderem am WEF in Davos nach Geldgebern. Das Startkapital für das nächste Abenteuer beschaffte er mit dem Verkauf von Uber-Aktien selber, doch hatte er keine Probleme, weitere Partner zu finden.
Travis Kalanick hat die Branche gewechselt und führt nun eine mit Risikokapital ausgestattete Immobilienfirma mit 15 Angestellten. Statt Tieflohnarbeitsplätze im Taxigewerbe bereitzustellen, nutzt er nun leere Parkplätze und Industrieanlagen für das Gastgewerbe und den Detailhandel um.
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Wie Kalanick musste auch Steve Jurvetson eine prestigereiche Position räumen, nachdem weibliche Angestellte von sexuellen Avancen berichtet und sich über die «Bro-Kultur» im Unternehmen beklagt hatten. Gemeint war ein von Nachstellungen durch Männer geprägtes Geschäftsklima, befeuert durch Sex-und-Drogen-Partys.
Kalanick tolerierte eine solche Machokultur bei Uber und war Teil von ihr, so auch Jurvetson bei der von ihm mitbegründeten Venture-Capital-Firma DFJ. Doch auch Jurvetson musste nicht lange warten, bis er neue Geldgeber fand. Hilfreich war, dass die Verwaltungsratsmandate bei Tesla und Spacex nur sistiert, ihm aber nicht entzogen wurden. Das dürfte sich ausbezahlt haben, wie die Hightech-Website Recode berichtete. Institutionelle Anleger seien bereit gewesen, wegen seiner erfolgreichen Investitionen und Beziehungen zu Elon Musk Nachsicht zu üben und ihm den Neubeginn zu finanzieren.
Futures Ventures nennt Jurvetson seine neue Firma, begleitet von einem Einstein-Zitat: «Wir können unsere Probleme nicht mit dem gleichen Denken lösen, das wir hatten, als wir sie schufen.»
Noch rascher von seinen Problemen gelöst hat sich Mike Cagney, Gründer von Social Finance, einer auf Studentendarlehen spezialisierten und mit mehr als 4 Milliarden Dollar bewerteten Firma. Cagney musste demissionieren, nachdem sich gezeigt hatte, dass er ein sexistisches Arbeitsumfeld geschaffen hatte und mit mehreren weiblichen Angestellten sexuelle Beziehungen eingegangen war, die er in einer Befragung durch den Verwaltungsrat verleugnete. Kein Problem: Eine Reihe früherer und neuer Investoren schoben ihm 58 Millionen Dollar zu und ermöglichten Cagney, nur vier Monate nach seiner Entlassung eine neue Kreditfirma zu eröffnen.
Weiter investieren
Die Liste der Wiederaufgestandenen im Silicon Valley wächst. Den meisten Fällen ist die riskante, aber potenziell hoch lukrative Art ihrer Geschäfte gemeinsam. «Nichts wird persönlich genommen in der Art, wie die Big Boys Geschäfte machen», erklärt Nicole Sanchez, Chefin der Vaya Consulting in Berkeley. «Es spielt keine Rolle, wem man wehtut, solange man Geld machen kann.»
Dass Risikokapital- und Kreditfirmen den schnellsten Wiedereinstieg für die Bad Boys ermöglichen, ist kaum ein Zufall. Nur gerade 2 Prozent des gesamten Risikokapitals im Silicon Valley fliessen Unternehmerinnen zu, 98 Prozent sind für Geschäftsmänner reserviert. Es erstaunt nicht, dass die Täter von früher in diesem für Frauen (und Minderheiten) steinigen Gelände eine neue Chance bekommen.
«Das Silicon Valley ist ein ausgeprägt kapitalistischer Ort», sagt Robert Sutton, Managementprofessor der Stanford-Ingenieursschule. «Hier werden sich immer Leute finden, die die Vergangenheit ruhen lassen und investieren wollen.»
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