Die Basler Logik des Unerklärlichen
Der FCB stände mit einem Sieg gegen Moskau in den CL-Achtelfinals. Es wäre ein erster Lohn für eine veränderte Spielphilosophie.

Man darf sich den Gedanken schon mal gönnen: Es ist durchaus realistisch, dass sich heute Abend eine Schweizer Mannschaft für die Achtelfinals der Champions League qualifiziert. Zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nach nur vier Runden der Gruppenspiele. Natürlich, der FC Basel hat die Gruppenphase bereits dreimal überstanden. Aber das war immer mit Nervenspielen verbunden, von deren Besuch Menschen mit erhöhtem Blutdruck strikt abgeraten wird. Es war jeweils eine Basler Parforce-Leistung am letzten Spieltag, stets gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner aus der englischen Premier League.
Im Vergleich dazu hat es der FCB heute schon fast einfach. Alles, was er braucht, ist ein Sieg gegen den ZSKA Moskau, den er auswärts bereits 2:0 bezwungen hat. Zugleich darf Benfica Lissabon bei Manchester United nicht gewinnen. Was wäre das für ein Ausrufezeichen für den Schweizer Clubfussball. Und was wäre das vor allem für eine Überraschung auf ganz vielen Ebenen.
«Das weiss ich jetzt auch nicht»
Es darf als gesichert gelten, dass Raphael Wicky und Tomas Vaclik Vertreter des Fussballgeschäfts sind, die sich im Vergleich zu ihrem Berufsumfeld überdurchschnittlich viele Gedanken über ihren Sport machen – und vielleicht auch darüber hinaus. Trotzdem können auch der Trainer und der Goalie keine Antwort auf eine zentrale Frage finden: Wie kann es sein, dass sich eine Mannschaft, dass sich der FC Basel als Ganzes in der Liga eben noch im freien Fall befindet – und gleich darauf auf höchster Ebene in der Champions League zwei überzeugende Siege in Serie gegen höher eingestufte Gegner wie Benfica und den ZSKA Moskau einfährt?
Vaclik bemüht sich am Tag vor dem Heimspiel gegen die Moskauer ehrlich um eine Erklärung. Aber am Ende kommt er auch nicht auf viel mehr als auf «etwas Glück» oder «kleine Dinge, die jetzt für uns laufen». Und Wicky sagt mit entwaffnender Ehrlichkeit: «Warum es in der Champions League besser läuft als in der Liga, weiss ich jetzt auch nicht.»
Lustigerweise stehen die Basler derzeit ja genau andersrum da als noch vor einem Jahr. Damals erdrückten die Rot-Blauen die heimische Super League mit ihrer nicht enden wollenden Siegesserie. Zeitgleich enttäuschten sie die – allerdings auch ordentlich hohen – Erwartungen des Schweizer Fussballpublikums auf europäischer Bühne. Und heute, da Basel in der Liga hinterherhinkt, stimmen die Leistungen in der Champions League.
Die Angreifer, die ursprünglich als Back-up für den inzwischen verletzten Topskorer Ricky van Wolfswinkel angedacht waren, zeichnet allesamt ein Merkmal aus: schnelle Beine.
«Beim Fussball verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft», soll Jean-Paul Sartre einmal gesagt haben. Stimmt das Zitat, dann hatte der französische Philosoph klügere Gedanken als diesen. Nicht nur, weil ohne Gegner ja gar kein Fussballspiel entsteht. Sondern auch, weil der richtige Gegner die Dinge manchmal auch vereinfachen kann. Etwas in diese Richtung darf der FCB derzeit in seiner Gruppe A erleben.
Als im Sommer in Basel eine neue Crew ans Ruder trat, tat sie das auch mit der Absicht, eine etwas veränderte Spielphilosophie einzuführen. Schneller sollte das Angriffsspiel werden, entsprechend wurde der Sturm umgebaut. Die Angreifer, die ursprünglich als Back-up für den inzwischen verletzten Topskorer Ricky van Wolfswinkel angedacht waren, zeichnet allesamt ein Merkmal aus: schnelle Beine.
Diese Zusammenstellung des Kaders war gerade auch auf die Auftritte in den Europäischen Wettbewerben ausgerichtet, wo die Basler hofften, gegen stärker eingestufte Kontrahenten mit schnellem Konterspiel zum Erfolg zu kommen.
Die Räume, die Oberlin braucht
Insofern war es fast schon Glück, erhielt der FCB nicht einen Gegner der Klasse «Underdog» zugelost wie letztes Jahr Rasgrad, der sein Heil in einer massierten Abwehr sucht. Benfica und der ZSKA sehen sich beide als legitime Anwärter auf einen Platz in den Achtelfinals der Champions League. Also entspricht es ihrem eigenen Anspruch, ein Team wie den FCB zu schlagen. Und so erhielt der ebenso schnelle wie manchmal wirre Dimitri Oberlin beim 5:0 gegen Benfica wie auch in der Schlussphase in Moskau all die Räume, die er braucht, um seine Stärke auszuspielen.
Dass seine Sprinterqualitäten umgekehrt wenig helfen, wenn der Gegner so tief verteidigt wie der FC Zürich am letzten Wochenende, ist die Kehrseite der Medaille, die die Basler heute Abend herzlich wenig kümmern wird. Wicky erwartet zwar nicht, dass Moskau «von Anfang an kopflos nach vorne stürmt». Aber mit Blick auf die Tabelle stellt er auch fest: «Sie wissen, dass sie gewinnen müssen.» Gute Aussichten für die schnellen Beine im Basler Angriff.
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