
In China zeigt eine Corona-App, ob jemand ein Gebäude betreten darf. In Südkorea ruft ein Beamter an, wenn die Bürger ihren Gesundheitszustand auf dem Smartphone nicht aktualisieren. Und in Taiwan existiert eine Karte, auf der alle infizierten Personen aufpoppen. Nicht nur in Asien dringen die Behörden bei der Überwachung während der Corona-Krise viel zu tief in die Privatsphäre der Menschen ein, sondern auch im Kanton Aargau. Dort darf die Polizei auf alle Videokameras in Echtzeit zugreifen, damit sie grosse Gruppen aufspüren kann – eine unverhältnismässige Massnahme. Edward Snowden warnte, dass die Überwachungsmethoden der Regierungen auch nach der Pandemie beibehalten würden. 300 Forscher kritisierten in einem offenen Brief die beispiellose Überwachung.
Es ist essenziell, die angewandten Technologien kritisch zu hinterfragen, um so Überwachungsdystopien zu verhindern. Doch wir dürfen sie nicht aus Prinzip ablehnen. Denn wenn eine App gut gestaltet ist, stärkt sie uns als Individuum. Das Bundesamt für Gesundheit hat sich für die App DP-3T entschieden. Ab dem 11. Mai soll die Anwendung verfügbar sein, welche die Eidgenössischen Technischen Hochschulen Lausanne und Zürich gemeinsam mit anderen Universitäten programmiert haben.
Die Daten müssen anonym bleiben
Längst können die kantonsärztlichen Dienste nicht mehr allen Ansteckungen nachgehen und die Infizierten abtelefonieren. Hier hilft die App. Mittels Bluetooth wird nachvollziehbar, wer mit einer infizierten Person in Kontakt gekommen ist. Die betroffenen Personen erhalten eine Benachrichtigung, können in Quarantäne gehen und so die Ansteckungskette kappen.
Höchste Priorität hat hierbei der Datenschutz. Unsere Bewegungen dürfen nur zur Bekämpfung der Pandemie ausgewertet werden. Die Daten müssen anonym bleiben. Weder Firmen noch Sicherheitsbehörden sollen davon profitieren. DP-3T will das mit einem dezentralen System gewährleisten. Die Daten werden nicht auf einem zentralen Server gespeichert, sondern nur auf den jeweiligen Smartphones. So könne niemand rekonstruieren, wer wem zu welchem Zeitpunkt begegnet sei. Ausserdem veröffentlichen die Entwickler den Code der App, damit er überprüft werden kann.
Niemand darf benachteiligt oder ausgeschlossen werden, nur weil DP-3T keine Kachel auf seinem Smartphone ist.
Andrea Gmür, Chefin der CVP/BDP/EVP-Fraktion im Parlament, hat am Dienstag auf Twitter gefordert, dass die App während «der akuten Notphase obligatorisch sein soll». Das geht viel zu weit. Niemand darf benachteiligt oder ausgeschlossen werden, nur weil DP-3T keine Kachel auf seinem Smartphone ist. Die App darf keine Bedingung dafür sein, wieder ins Büro gehen zu können oder ein Fitnesscenter zu besuchen. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung müssen die App herunterladen, damit sie hilft, sagen Forscher der Oxford University. Die Entwickler haben somit einen grossen Anreiz, die Anwendung so datenschutzkonform wie möglich zu gestalten – und das ist gut so.
Bleibt die App freiwillig und wird der Datenschutz gewahrt, hat die App für uns grosse Vorteile, denn sie macht uns selbstbestimmter. Weil wir mehr Daten haben, können wir bessere Entscheidungen treffen. Wir können eher abschätzen, ob wir unsere Freunde treffen sollen, weil wir Angaben zum Infektionsrisiko haben. Wir können die Massnahmen des Bundes faktenbasiert und nicht nur nach Bauchgefühl hinterfragen. Und vor allem können wir im besten Fall unsere gewohnten Freiheiten wieder schneller ausleben, weil es weniger Neuinfektionen gibt.
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Mit Bluetooth gegen Covid-19 – Die Corona-App ermächtigt uns
DP-3T soll die Schweizer zwar überwachen. Doch vor allem hilft uns die App, bessere Entscheidungen zu treffen – sofern sie freiwillig bleibt.