Die dauernde Ausnahme für den roten Alt-Stadtrat
Das irritiert Zürcher Gemeinderäte: Der ehemalige SP-Stadtrat Martin Waser will die Asylorganisation Zürich weiter präsidieren.

«Kennedy von Zürich-Nord»: So lautete der Spitzname von Martin Waser während seiner Amtszeit als Zürcher Stadtrat von 2002 bis 2014. Und er war durchaus anerkennend gemeint. Der SP-Politiker vermochte mit seiner unaufgeregt-pragmatischen Art zu punkten und führte das krisengeschüttelte Zürcher Sozialdepartement in ruhigere Bahnen.
Mittlerweile ist Waser 64 Jahre alt und Präsident des Spitalrats des Universitätsspitals Zürich, wo er sich unter anderem mit der Umgestaltung des Hochschulviertels befasst. Doch neben diesem anspruchsvollen Posten hat der Alt-Stadtrat noch einen weiteren Job: Seit 2014 präsidiert er den Verwaltungsrat der Asylorganisation Zürich (AOZ). Diese führt diverse Asylunterkünfte in Stadt und Kanton Zürich und ist etwa im Testbetrieb – und später im Bundesasylzentrum auf dem Duttweiler-Areal – für die Betreuung der Asylsuchenden zuständig.
Ausnahmebewilligung nötig
Am Mittwoch entscheidet das Zürcher Stadtparlament, ob der «Kennedy von Zürich-Nord» vier weitere Jahre AOZ-Verwaltungsratspräsident bleiben kann. Waser habe in den vergangenen vier Jahren als Präsident des Verwaltungsrats die AOZ «mit sicherer Hand durch die grossen Herausforderungen der Flüchtlingskrise von 2015/16 gesteuert», schreibt der Stadtrat. Mit seiner Wiederwahl könne die notwendige Konstanz sichergestellt werden. Seine langjährige Erfahrung und seine fundierten Kenntnisse des Asylwesens sowie der AOZ seien dabei von grossem Vorteil.
Die Personalie kommt nur deshalb in den Gemeinderat, weil die AOZ als selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt der «Verordnung über die städtischen Vertretungen in Organen von Drittinstitutionen» untersteht. Diese sieht vor, dass solche Mandate bei städtischen Angestellten nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst enden. Im Fall Waser/AOZ braucht es deshalb eine Ausnahmebewilligung des Parlaments. Nicht zum ersten Mal: Eine solche erteilte der Rat schon 2014.
«Die AOZ sollte es inzwischen schaffen, auch ohne Wasers Dienste zurechtzukommen.»
SVP, AL und GLP lehnen die erneute Ausnahmebewilligung ab. Es gehe nicht um Waser als Person oder um seine Leistung, betont Maleica Landolt (GLP). Aber sie hält den Zeitpunkt für einen Wechsel an der AOZ-Spitze für gekommen: Die Zahl der Asylgesuche sei zurückgegangen, das Bundesasylzentrum auf guten Wegen. Zudem gäbe es andere valable Kandidaten für diesen Job.
SP-Politiker auf allen Ebenen
Landolt weist darauf hin, dass im Asylwesen auf den Ebenen Stadt, Kanton und Bund jeweils Politiker derselben Partei, der SP, das Sagen haben – und das Thema dementsprechend von der Rechten beackert werde. «Eine Person aus einer anderen Partei könnte zur Entspannung in diesem hochsensiblen Bereich beitragen.»
AL-Fraktionschef Andreas Kirstein stört, «dass eine Ausnahmebewilligung zum Dauerzustand wird». Zudem sei Waser als Spitalratspräsident bestens ausgelastet. «Die AOZ sollte es inzwischen schaffen, auch ohne seine Dienste zurechtzukommen.» Auch Bernhard im Oberdorf (SVP) ist dagegen, «dass man solche Verlängerungen gewährt».
«Nett, wenn sich Leute um Martin Wasers Arbeitspensum sorgen»
Kritische Stimmen gibt es auch in Wasers eigener Partei, der SP. So enthält sich Christine Seidler, Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission, bei dem Geschäft der Stimme. Auch Seidler findet, eine Ausnahmebewilligung müsse eine Ausnahmebewilligung bleiben, alles andere sei inkonsequent. «Ausserdem hätte ich mir gewünscht, dass sich Waser auf die anspruchsvolle Aufgabe als Spitalratspräsident fokussiert», sagt sie.
Unabhängig von der Person Waser würde ein Wechsel an der Spitze der AOZ Sinn ergeben. Seidler verweist auf die mediale Kritik an der Asylorganisation. Diese hat im Sommer das Zentrum für unbegleitete minderjährige Asylsuchende in Zollikon wieder geschlossen – nur zwei Jahre nach der Eröffnung; 60 Mitarbeitende erhielten die Kündigung. Die Massnahme sorgte für Unmut und parlamentarische Vorstösse. Laut Seidler gibt es auch den Vorwurf, dass bei der AOZ zu sehr das Ökonomische und zu wenig das Schicksal der Flüchtlinge im Vordergrund stehe.
«Know-how behalten»
Rückendeckung erhält Waser von SP-Fraktionschef Davy Graf. Er spricht von einer «guten Lösung», es gehe darum, Know-how in der Asylorganisation zu behalten. Kritikern entgegnet er: «Nett, wenn sich Leute um Martin Wasers Arbeitspensum sorgen, aber das wird er selber am besten beurteilen können.»
Waser selber nimmt die Kritik gelassen: «Sie zielt ja nicht gegen meine Person», sagt er. Bei seinem Engagement für die AOZ gehe es um Kontinuität und keineswegs um Prestige oder darum, dass er einen Job brauche. «Ich suche keine Anstellung.»
«Pöstchen zuschanzen»
Schon vor vier Jahren sorgte Wasers Wahl für Diskussionen. Damals störte sich die SVP daran, dass der ehemalige Sozialvorstand nahtlos von der Rolle als Stadtrat ins AOZ-Präsidentenamt wechselte. Einmal mehr versuche der Stadtrat, altgedienten Politikern und aus der Verwaltung ausgeschiedenen Mitarbeitenden ein gutes Pöstchen zuzuschanzen, meinte der damalige SVP-Fraktionschef Mauro Tuena. Auch die AL kritisierte die Tendenz, Stadträte nach ihrem Rücktritt mit Posten im Einflussbereich der städtischen Verwaltung zu versorgen.
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