Finale Staffel «Succession», Folge 8Die Demokratie stirbt im Newsroom
Es ist die vielleicht beste TV-Serie der letzten Jahre. Wir besprechen jeden Mittwoch die neuste Episode – mit allen Intrigen und fiesen Sprüchen.

Key race alert! Die neuste Episode «America decides» liess Erinnerungen an die letzten zwei US-Präsidentschaftswahlen aufkommen, als die Welt gebannt die Berichterstattung der amerikanischen News-Sender verfolgte. Damals illustrierten Moderatoren wie CNN-Mann John King an den «magic walls» den Wahlkrimi zwischen Trump und Biden infografisch: Red states, blue states, swing states. Je nach politischer Ausrichtung löste die neuste «Succession»-Folge bei einigen Zuschauern wohl eine Art posttraumatisches Stresssyndrom aus. Denn wie weiland Donald Trump wurde mit Jeryd Mencken ein rechtsnationaler Populist Präsident der Vereinigten Staaten.
Oder nicht?
Weil in einem Wahlzentrum in Milwaukee, Wisconsin, ein Feuer ausbrach und unzählige Stimmzettel verbrannten, war nicht klar, ob der letzte auszuzählende und entscheidende Staat demokratisch oder republikanisch gewählt hatte. Wisconsin wählt traditionellerweise demokratisch – vor dem Brand lagen aber die Republikaner vorne. Die grosse Frage im Newsroom des rechtsgerichteten Senders ATN, der im Besitz der Roys ist, lautete deshalb: Sollte man Mencken als Präsident ausrufen (und so Einfluss auf die Wahl nehmen)? Oder abwarten, was die Brandermittlungen ergeben? Während die anderen Sender vermuteten, dass Mencken-Extremisten das Wahlzentrum in Milwaukee verbrannt haben könnten, stellte ATN Theorien wie «Stromausfall» auf.
Raffiniert: Am Ausgang der Wahl hängt nicht nur die Zukunft Amerikas und das demokratische Selbstverständnis des Landes, sondern auch das Lebenswerk von Logan Roy. Während der demokratische Kandidat Jimenez dem Verkauf von Waystar-Royco zustimmen würde, signalisierte Mencken, dass er die Riesenfirma nicht nach Schweden abziehen lassen würde. Es war also eine schwerwiegende, lange Wahlnacht – auf die sich ATN-Chef Tom Wambsgans vorbereitete, indem er hinter einem Whiteboard Koks schnupfte (und den unwilligen, aber unterwürfigen Greg auch dazu nötigte).

Neben den vielen politischen Anspielungen und Referenzen auf das real existierende Amerika stand natürlich einmal mehr der Roy-Nachwuchs im Zentrum. Die Folge warf, bevor es in die letzten beiden Folgen der Serie geht, nochmals ein unbarmherziges Licht auf Kendall, Roman und Shiv.
Mit der Entscheidung, ob man Mencken voreilig zum König machen soll oder nicht, mussten sie Flagge bekennen. Kendall war zögerlich, denn er ist kein Mencken-Fan. Nicht zuletzt, weil er, der dauerabsente Vater, plötzlich ein Herz für seine adoptierte Tochter entdeckt hat – welche afroamerikanisch ist und deshalb von Mencken-Unterstützern angegangen wurde. Aber letztlich will Kendall das, was er schon immer wollte: eine Chance auf den Thron, von dem er sein ganzes Leben lang geträumt hat.
Shiv wiederum ist entsetzt über die illegale Einflussnahme und beschwört die Demokratie. Doch ihr Engagement für Jimenez ist wenig glaubwürdig. Vielmehr scheint es, als ob sie primär gegen Mencken ist, weil sie mit dem Schweden Mattson einen heimlichen Deal hat, der vorsieht, Waystar zu verscherbeln. Letztlich ist auch sie von Egoismus getrieben. Umso mehr steigerte sie sich in einen Kampf gegen ihren Bruder Roman hinein, der einen direkten Draht zu Mencken hat und diesen als Präsidenten sehen will.

«Wenn mein Team gewinnt, werden sie dein Team erschiessen», spottete Roman. Zu seinem Bruder sagte er später in der Folge: «Nichts ist wichtig, Ken. Dad ist tot, und das Land ist nur eine grosse Pussy, die darauf wartet, gefickt zu werden.» Zu Romans Zynismus paart sich nun auch noch Nihilismus. Faschismus gar?
Jedenfalls pfeift er auf die Demokratie, Hauptsache, er gehört zu den 0,1 Prozent der superreichen Elite. Weil wir hier bei «Succession» sind, ist das natürlich auch auf der psychologischen Ebene perfekt hergeleitet: Roman, der am stärksten um seinen Vater trauert, hat in Mencken eine neue übermächtige Vaterfigur gefunden.
Höhepunkt: Kendall, als er merkte, dass Shiv ihn belogen hatte – und deshalb ins Team Mencken wechselte. Für die Roys nur eine weitere Lüge, für das Land einen Nazi-Sympathisanten als Präsident.
Offene Frage: Wird Mencken Präsident bleiben? Wahrscheinlich löst die Serie die Frage nicht mehr auf. Deshalb hier eine alternative Frage: Zeichnet sich schon ab, wer den Thron erbt? Roman ist nach seinem Wahltriumph im Hoch, hat er nun doch einen Kontakt zum Präsidenten. Aber es stehen noch zwei Folgen an – eine sehr lange Zeit im Haifischbecken von «Succession».
Beste Beleidigung: Uff, da gabs wiederum einige. Toms Wortkreation «gregging», mit dem er Greg besonders sadistisch zu verstehen gab, sein Lakaie für die Wahlnacht zu sein?
Grösste Lächerlichkeit: Greg, der dem ATN-Chefanalysten im brenzligsten Moment der jüngeren US-Geschichte aus Versehen Wasabi in die Augen befördert – und das Brennen ausgerechnet mit Zitronenwasser zu lindern versucht. «It’s not that lemony, it’s not that lemony …» Fantastischer und gewagter Slapstick in einer der nervenaufreibendsten Folgen der Serie. Und Beweis für die Meisterhaftigkeit von «Succession»-Erfinder Jesse Armstrong, der die Folge (und die kommenden beiden) höchstpersönlich schrieb.
Luxuriösestes Statussymbol: Keines. Die Folge fand tollerweise durchgehend im ATN-Hauptquartier statt. Die Demokratie stirbt hier also nicht in der Dunkelheit, wie es im Slogan der «Washington Post» heisst (der damit auf intransparente Regierungsdeals zielt). Sondern, o schreckliche Ironie, in einem hell erleuchteten Newsroom. Oder wie es Roman selbst ausdrückte, nachdem ATN Mencken zum Präsidenten ausgerufen hatte: «Wir haben gerade einen guten Fernsehabend gemacht.»
Zumindest damit hat er absolut recht.
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