Die Digitalisierung frisst unsere Jobs
IT macht die Wirtschaft immer produktiver. Wollen wir verhindern, dass sie unsere Arbeitsplätze vernichtet, müssen wir die Arbeit sinnvoller aufteilen.
Die alten Industriestaaten entdecken die Industrie neu: Grossbritannien und die USA setzen wieder auf Manufacturing. Präsident Barack Obama hat eine Reindustrialisierung der Vereinigten Staaten zur wichtigsten Herausforderung seiner zweiten Amtszeit erklärt. Im Vereinigten Königreich will die Regierung von David Cameron mit steuerlichen Anreizen dafür sorgen, dass in den Midlands und im Norden staatliche Verwaltungsjob durch private Industriejobs ersetzt werden.
In beiden angelsächsischen Staaten ist der Anteil der im zweiten Sektor beschäftigten Arbeitnehmer auf rund 10 Prozent geschrumpft. Zum Vergleich: In Deutschland und auch in der Schweiz liegt dieser Anteil noch zwischen 20 und 25 Prozent.
Spektakuläre Aktionen noch ohne Wirkung
Die Reindustrialisierung wird von spektakulären Aktionen begleitet. So hat Apple kürzlich angekündigt, in Zukunft wieder vermehrt auch einfachere Arbeiten in den USA verrichten zu lassen. Heute werden iPhones und iPads vorwiegend in China und neuerdings auch in Brasilien zusammengesetzt. Dank tieferem Dollar und schwächerem Pfund können die Angelsachsen ihre Exporte zwar steigern. So meldet die Exim Bank – eine Art Gegenstück der schweizerischen Exportgarantie –, dass die Ausfuhren aus den USA seit vier Jahren stetig zunehmen.
Doch die Amerikaner können davon nicht profitieren. «Immer weniger Arbeitskräfte werden gebraucht, um dieser Güter zu produzieren», stellt Gillian Tett in der «Financial Times» fest. «Selbst – oder speziell – in den boomenden Sektoren.» Trotz Exportboom hat sich die Zahl der Arbeitslosen in den USA nur minimal reduziert und liegt nach wie vor bei 7,7 Prozent.
Digitalisierung erhöht die Produktivität
Vor allem der Industriesektor soll mit weniger Arbeitskräften mehr produzieren. Schuld daran ist die zunehmende Digitalisierung der Arbeit. Software und Roboter, nicht Chinesen und Inder, vernichten Arbeitsplätze in den alten Industriestaaten. Sie haben die Industrie in den letzten Jahrzehnten viel produktiver gemacht.
Brian Arthur vom Palo Alto Research Centre hat diese Entwicklung detailliert unter die Lupe genommen. Dabei ist er zum Schluss gekommen, dass heute die neuen digitalen Netzwerke für 60 bis 80 Prozent des Wachstums der Produktivität verantwortlich sind.
Die Wirtschaft wächst, die Anzahl Arbeitsplätze nicht
Wachsende Produktivität ist grundsätzlich positiv. Nur so können wir uns auch in einer älter werdenden Gesellschaft anständige Altersrenten und einen vernünftigen Sozialstaat leisten. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Produktivitätsgewinne gleichmässig verteilt werden. Das ist in der zunehmend globalisierten Wirtschaft nicht mehr der Fall. Dank einem immer intensiver werdenden Standortwettbewerb fliessen die Gewinne der wachsenden Produktivität in die Kassen der multinationalen Konzerne.
Für die Arbeitnehmer fällt immer weniger ab. Selbst gut ausgebildete Facharbeiter müssen sich mit stagnierenden oder gar fallenden Löhnen abfinden und permanent um ihre Job bangen. Es gibt keine Garantie mehr, dass sie einen gleichwertigen Job finden, wenn ihr alter Arbeitsplatz «wegdigitalisiert» worden ist. Wir steuern deshalb auf eine neue Ära eines «jobless growth» zu, einer Zeit, in der die Wirtschaft wächst, aber keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden.
Arbeit muss vernünftiger aufgeteilt werden
Grundsätzlich ist die Digitalisierung der Wirtschaft eine grossartige Sache. Sie bringt langweilige Routinearbeit zum Verschwinden, erhöht die Produktivität der Wirtschaft und schafft damit die Voraussetzungen für eine humane Gesellschaft. Doch diese segensreichen Wirkungen werden pervertiert, wenn die Digitalisierung nicht von neuen Arbeitszeitmodellen begleitet wird.
Die Arbeit muss vernünftiger aufgeteilt werden. Weil die Technik gewaltige Fortschritte gemacht hat, müssen wir nicht mehr, sondern weniger arbeiten. Sonst wird sich ein Wachstum ohne neue Jobs nicht verhindern lassen. Das führt zwangsläufig zu Massenarbeitslosigkeit, vor allem bei den Jugendlichen. Die Folgen davon beschreibt WEF-Gründer Klaus Schwab heute im «Tages-Anzeiger»: «Die Jugendarbeitslosigkeit ist wie ein Geschwür im Kern der europäischen Wirtschaft; es raubt ihr die Zukunft und wird ihr Wachstumspotenzial über viele Jahrzehnte hinweg schwächen.»
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