«Die EM erreichen, ganz egal wie»
Coach Mauro Lustrinelli startet heute mit den Schweizer U-21-Fussballern in die EM-Qualifikation.

Es lebe der kleine Unterschied. Als die Nationalmannschaft vor dem Spiel gegen Gibraltar Quartier bezog, tat sie das in mondänem Rahmen, in Montreux, am Ufer des Genfersees. Die U-21 ist vor ihrem Start zur EM-Qualifikation in Regensdorf untergebracht, in einem schmucklosen Bau, ein Einkaufszentrum vor der Tür.
Im Untergeschoss des Hotels hat die Mannschaft ihren Aufenthaltsraum. An der Wand hängt eine grosse Schweizer Fahne. Am Tisch sitzt Mauro Lustrinelli und sagt: «Ich bin privilegiert, Trainer dieser Mannschaft zu sein.»
Lustrinelli ist seit eineinhalb Jahren für sie zuständig. Als er sie vom glücklosen Heinz Moser übernahm, war es viel zu spät, um in der Qualifikation für die Endrunde diesen Sommer in Italien etwas zu korrigieren. Die Schweiz fehlte auch hier, wie immer seit 2011. Lustrinelli hat vor dem Start zur nächsten Kampagne am Dienstagabend in Liechtenstein nur ein Ziel: «Die EM zu erreichen. Ganz egal wie.»
Frankreich ist der grosse Favorit auf den Gruppensieg, «Frankreich kann zwei, drei Mannschaften auf dem gleich hohen Niveau stellen», sagt Lustrinelli, «die Breite ist unglaublich, es gibt 50 bis 70 Spieler.» Der 20-jährige Kylian Mbappé gehört nicht einmal dazu, er schwebt längst in anderen Sphären.
Die übrigen Gegner müssen in Reichweite der Schweiz liegen, die Slowakei, Georgien, Aserbeidschan und Liechtenstein. Auch Platz 2 ermöglicht die Teilnahme an der Endrunde 2021, zumindest via Playoff. «Es wäre Zeit, dass wir wieder dabei sind», sagt Lustrinelli. Er verströmt den Ehrgeiz des früheren Nationalspielers, von «Lustrigoal», der mit Thun in der Champions League stürmte.
Die Generation von 2011
Die Schweizer Nachwuchsauswahlen stehen für die Ausbildungsarbeit, die der Verband in den 90er-Jahren begann. «Pionierarbeit» nennt sie Lustrinelli heute. Sie ermöglichte die Titelgewinne der U-17 an der EM 2002 und an der WM 2009. Die U-21 lebte 2011 von einer aussergewöhnlichen Generation: Sommer, Shaqiri, Xhaka und Mehmedi gehörten dazu, auch Gavranovic, Klose oder Lustenberger. Sie verlor erst im Final.

Dass seither die Erfolge ausgeblieben und nur schon Endrundenteilnahmen auch jüngerer Auswahlen ziemlich selten geworden sind, hat für Fragen gesorgt. Lustrinelli verteidigt die Arbeit im Verband: «Sie ist gut geblieben. Aber die anderen Verbände haben nachgezogen, sie haben viel in die Infrastruktur oder in die Trainer investiert.» Dazu kommt der Anspruch von Nationalcoach Vladimir Petkovic, immer die Spieler aufbieten zu können, die er will. Darum machten in der letzten Qualifikation Ajeti, Elvedi, Edimilson Fernandes, Zakaria, Embolo oder auch Sow früh den nächsten Schritt, zum Schaden der führenden Nachwuchsauswahl. Die liess in ihrer Sechsergruppe gerade noch Liechtenstein hinter sich.
Das Feuer des Chefs
«Wir können nur erfolgreich sein, wenn die Besten spielen und in Topform sind», sagt Lustrinelli. Sein aktuelles Kader besteht aus vielen Spielern, die in der Super League schon einige Erfahrung gemacht haben. Sie heissen Cömert, Zesiger, Bajrami, Domgjoni, Pusic, Okafor oder Thoma, und Ruben Vargas ist dabei, der am Sonntag gegen Gibraltar sein Länderspieldebüt geben durfte.
Dass Vargas, der Augsburger, und Cömert, der Basler, direkt vom A-Team zu Lustrinellis Kader gekommen sind, freut gerade Adrian Knup ungemein. Der Sportdirektor der Swiss Football League und Delegierte der U-21 sieht das als gutes Zeichen der Zusammenarbeit zwischen den beiden Teams.
«Das sind alles Profis»
U-21 tönt nach dem, was es nicht mehr ist. Das ist kein Nachwuchs mehr, «das sind alles Profis», sagt Knup, und darum ist es ihm ein Anliegen, das Umfeld der Mannschaft auf das Niveau eines Spitzenclubs der Super League zu heben. Wer an diesem Montag mit ihm redet, spürt sein Feuer. Er erzählt von den Reisen durch die Schweiz, die er zusammen mit Lustrinelli im Frühjahr unternahm, um die Clubs für die Belange der U-21 zu sensibilisieren; oder von der Aufgabe Lustrinellis, den Kontakt zu den Spielern auch in der langen Zeit zwischen den Zusammenzügen zu pflegen. Alles, was er sagt, dreht sich um eines: um die Wichtigkeit der Kommunikation.
Lustrinelli wiederum stellt sich eine «sehr schöne multikulturelle Gruppe» vor: «Jeder spielt für die Schweiz, aber jeder kann seine Kultur einbringen.» Seine Spieler haben ihre Wurzeln überall: in Portugal, Angola, Nigeria und der Türkei, auf dem Balkan oder in der Karibik. Am Ende weiss er, dass nur eines zählt. Das ist die Qualifikation für die EM.
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