Die EU im diplomatischen Dilemma
Die Aussenminister der EU müssen eine Lösung im Atomkonflikt mit dem Iran finden. Sollen sie weiter verhandeln oder die Gespräche abbrechen? Beide Optionen stellen die EU vor Probleme.

Vor dem Hintergrund der Iran-Krise und des Bürgerkriegs in Syrien beraten die EU-Aussenminister ab heute über Strategien zum Wandel undemokratischer Regimes. Von sanftem politischem Druck bis hin zur völligen Isolierung reicht die Palette der Massnahmen, die EU-Aussenvertreterin Catherine Ashton bei dem zweitägigen Treffen in Kopenhagen diskutieren will.
Nur ein Thema bleibt bei der informellen Runde, an der auch Bundesaussenminister Guido Westerwelle (FDP) teilnimmt, tabu: Krieg. «Wir haben verschiedene aussenpolitische Hebel, die von Isolierung bis Engagement reichen», schreibt Ashton in ihrer Einladung an die 27 Chefdiplomaten. Um einen Wandel in Ländern wie dem Iran zu erreichen, könne die EU wirtschaftliche Anreize setzen, aber auch Druck ausüben und Sanktionen verhängen.
Nichts hat geholfen
All diese Mittel hat die EU in den vergangenen Jahren ausprobiert: Zunächst, unter Ashtons Amtsvorgänger Javier Solana, bot sie dem Mullah-Regime ein umfangreiches Handelsabkommen an. Weil Teheran trotzdem an seinem umstrittenen Atomprogramm festhielt, verhängte die EU zunächst gezielte Sanktionen, zuletzt beschloss sie ein umfassendes Ölembargo.
Das alles hat nicht geholfen – der Iran verfolgt seine nuklearen Ambitionen unbeirrt weiter. Das Land sei nicht mehr weit vom Bau einer Atombombe entfernt, fürchten westliche Experten. Bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama forderte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu am Montag sogar, einen Militäreinsatz vorzubereiten – andernfalls werde Israel im Alleingang die iranischen Atomanlagen bombardieren.
Keine Hinhaltetaktik
Doch für die EU bleibt ein Waffengang tabu. Unter den 27 EU-Aussenministern rede niemandem einem Krieg das Wort, sagte ein Diplomat in Brüssel. In Kopenhagen dürfte es vielmehr um die geplanten neuen Atomgespräche mit Iran gehen, die Ashton im Namen der sogenannten Sechsergruppe (USA, Russland, China, Frankreich, Grossbritannien, Deutschland) vorbereitet.
Noch ist nicht klar, mit welcher Strategie die EU in diese wohl letzte diplomatische Runde geht. Auf eine Hinhaltetaktik werde man sich nicht einlassen, stellte Aussenminister Westerwelle schon einmal klar. Iran müsse «seinen Kurs der Verschleierung und Nicht-Kooperation endlich beenden und alle berechtigten Zweifel über den Zweck seines Atomprogramms ausräumen».
EU kann sich keine Spaltung leisten
Sollte Teheran dennoch auf Zeit spielen, steht die EU vor einem Dilemma: Soll sie die Verhandlungen abbrechen und den drohenden Krieg hinnehmen? Oder soll sie weiter machen – auch auf die Gefahr hin, sich von den USA und Israel zu isolieren? «Einheit ist der Schlüssel», heisst es vieldeutig im Einladungsschreiben Ashtons. Denn eine Spaltung wie im Irak-Krieg kann sich die EU nicht mehr leisten.
Ein weiteres Thema in Kopenhagen wird die Schuldenkrise und deren Folgen für die europäische Diplomatie sein. Bei klammen Kassen werden auch die Mittel für die gemeinsame Aussenpolitik und den neuen Europäischen Aussendienst knapp. Ashton schlägt daher vor, die Kräfte zu bündeln und durch gemeinsame «Europa-Häuser» Kosten zu sparen. Doch das dürfte nicht ausreichen. Der Sparkurs hat die Aussenpolitik erreicht, Europas Einfluss in der Welt ist in Gefahr.
dapd/rbi
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