Die Finma führt ein Verfahren gegen Raiffeisen
Die Finanzmarktaufsicht will wissen, was in der Ära von Pierin Vincenz geschah.

Gegen Raiffeisen Schweiz läuft eine Untersuchung der Finanzmarktaufsicht Finma. Sie beauftragte die Revisionsgesellschaft Deloitte mit einem sogenannten Enforcement-Verfahren. Untersucht werden Fragen der Corporate Governance (deutsch: Grundsätze der Unternehmensführung) – zurück bis ins Jahr 2010.
Raiffeisen bestätigt die Untersuchung wie folgt: «Die Geschäftsleitung von Raiffeisen Schweiz hat bereits im vergangenen Jahr in Absprache mit dem Verwaltungsrat beschlossen hat, die zentralen Governance-Bestimmungen und -Prozesse des Unternehmens intern und extern prüfen zu lassen. Dies, um sicherzustellen, dass diese auf dem neusten Stand sind, die Vorgaben des Finma-Rundschreibens ‹Corporate Governance› erfüllen und den Anforderungen eines systemrelevanten Finanzinstituts entsprechen. Es ist zutreffend, dass wir zu diesen Punkten auch mit der Finma im Austausch sind. In einzelnen Punkten hat sich ein Optimierungsbedarf herauskristallisiert.»
Was sich denn genau gefunden hat und welche Konsequenzen gezogen wurden, sagt Raiffeisen nicht. Gemäss gut unterrichteten Quellen liegt der Deloitte-Bericht inzwischen bei der Finma. Untersucht wurden auch Firmenübernahmen durch Raiffeisen oder verbundene Unternehmen. Etwa ob es Interessenkonflikte gab, allenfalls Frontrunning. Frontrunning heisst, dass jemand, der wusste, dass Raiffeisen eine Firma kaufen will, sich im Voraus an dem Unternehmen beteiligte in der Hoffnung, aus der Übernahme einen Gewinn zu erzielen. Es gab auch Spesenrechnungen von über 1000 Franken, die für Aufsehen sorgten.
Fast das halbe Land zählt zu ihren Kunden
Pierin Vincenz betont, dass das Verfahren sich nicht gegen ihn selber oder seine Frau richtet, sondern gegen die Bank. Vincenz hat grosse Verdienste bei Raiffeisen. Er hat die ehemalige Bauernbank in seiner 16-jährigen Amtszeit zu dem gemacht, was sie heute ist. Er hat die Bilanz von Raiffeisen mehr als verdoppelt (auf 168 Milliarden Franken), das Personal ebenfalls (auf gut 10'000 Angestellte) und sie, hinter UBS und CS, zur drittgrössten Bank der Schweiz gemacht. Jede vierte Hypothek ist bei Raiffeisen. Fast das halbe Land zählt zu ihren Kunden.
Aber es gibt auch kritische Punkte. 2013 schluckte Raiffeisen die noble Wegelin, die älteste Privatbank der Schweiz. Das war eine Art Krönung. Hinzu kamen viele Übernahmen von kleineren Firmen, Start-ups teilweise, die mehr oder weniger erfolgreich in den Raiffeisen-Verbund integriert oder, wie im Fall des Derivateherstellers Leonteq, ins Geschäft eingebunden wurden.
Als Vincenz Ende September 2015 zurücktrat, ein halbes Jahr früher als vorgesehen, installierte er am letzten Tag seiner Amtszeit seine Lebensgefährtin Nadja Ceregato in der Geschäftsleitung. Seit knapp zwei Monaten ist sie weg. Freiwillig, für ein Sabbatical, wie es bei Raiffeisen heisst. Sie wolle ihr MBA machen. Ende 2018 kehre sie «voraussichtlich» zu Raiffeisen zurück, sagt Sprecherin Celine Bachmann, allerdings «in einer neuen Funktion».
Geschäft mit den reichen Russen abgestossen
Ceregato hatte eine wichtige Funktion bei den Übernahmen. So prüfte sie die Bücher der Wegelin, heute Notenstein. Es gab seither viele Abschreiber, und der langjährige Chef Adrian Künzi musste kürzlich gehen. Das Geschäft mit den reichen Russen, das Künzi eingebracht hatte, wurde verkauft.
Als Vincenz 2015 wegging von Raiffeisen und VR-Präsident der Helvetia-Versicherung wurde, war er nicht ganz weg. So blieb er Verwaltungsratspräsident von Leonteq, wo er gleich auch die Entschädigung für sein Amt massiv erhöhte. Er blieb VR-Präsident von Aduno, einem Gemeinschaftswerk im Kreditkartengeschäft, unter anderem mit Beteiligung der Zürcher Kantonalbank. Gemeinsam an Aduno und Leonteq ist, dass es zu umstrittenen Transaktionen kam und dass Vincenz beide Ämter aufgab. Bei Leonteq gaben mögliche Insidergeschäfte rund um die Rücktrittserklärung von Vincenz zu reden, bei Aduno der Kauf der Firma Eurokaution, die laut «Inside Paradeplatz» 5,6 Millionen Franken kostete. VR-Protokolle und ein Prüfbericht von KPMG, die der SonntagsZeitung vorliegen, bestätigen dies. Das Problem dieses Deals: Die Firma hatte eine Unterbilanz, es brauchte eine Kapitalerhöhung, und es entstand ein Verlust von 5 Millionen. Wer genau von dem Kauf profitierte, dürfte Gegenstand von Untersuchungen sein.
Ob die Rücktritte und Umbauten überhaupt in Zusammenhang mit den erwähnten Ergebnissen der Untersuchung stehen, weiss man nicht. Für viele dieser Positionen braucht es die Gewähr zur einwandfreien Geschäftsführung, welche die Finma entziehen kann, selbst wenn juristisch kein Verfahren läuft. Es reicht, dass der gute Ruf gefährdet ist. Theoretisch würde sich die Gewährsfrage auch bei Vincenz' Position als Präsident der Helvetia stellen. Finma-Sprecher Tobias Lux: «Im Grundsatz ist das Gewährserfordernis für den Banken- und Versicherungsbereich gleichwertig.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch