Die «Gaybrücke» könnte ein Anfang sein
Die bunten Fussgängerstreifen und das Strassenschild Gaybrücke werden nach dem Zurich Pride Festival wieder verschwinden. Doch etwas könnte bleiben.

Am 14. und 15. Juni findet in Zürich das 25. Pride Festival statt, und es hat schon im Vorfeld optisch auf sich aufmerksam gemacht: Regenbogenfarbige Zebrastreifen im Bereich Bellevue/Bürkliplatz, die Quaibrücke wurde vorübergehend zur Gaybrücke umbenannt.
Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus. Von «muss unbedingt bleiben» bis «Skandal, Steuergelderverschwendung, kindisch» oder gar gehässigen homophoben Aussprüchen. Vorweg: Die farbigen Fussgängerstreifen werden nach dem Festival verschwinden, die Gaybrücke wird wieder zur Quaibrücke.
Bei der zuständigen Abteilung für Verkehr heisst es dazu: «Die Aktion wurde als temporäre Aktion geplant. Deshalb erfolgten die Markierungen auch nicht mit dauerhafter Farbe.» Dauerhafte Installationen wären allenfalls im Nachgang zum Anlass zu prüfen, lässt man sich weiter verlauten.
Permanent regenbogenfarbig
Zürich stünde damit nicht allein in der Landschaft: Es gibt bereits zahlreiche Städte, die nicht nur temporär solche Zeichen gesetzt haben, um sich «mit anders liebenden und lebenden Menschen» zu solidarisieren, wie sich Pride-Präsidentin Lea Herzig vor kurzem ausdrückte.
In verschiedenen US-amerikanischen Städten wie etwa in Los Angeles, Atlanta oder Maplewood (New Jersey) gibt es in gewissen Quartieren permanente regenbogenfarbene Zebrastreifen. Ebenso etwa in London, Köln, Paris oder dem derzeit speziell bei jungen Leuten als Feriendestination angesagten Tel Aviv.

Andere Städte haben Pärchen als Ampelmännchen kreiert, Hetero-, aber auch homosexuelle Pärchen. In Wien gibt es sie seit 2015. Sie wurden anlässlich des dort stattfindenden Eurovision Song Contest installiert und finden so grossen Anklang, dass sie unterdessen vom Tourismusbüro beworben werden.
Auch manche deutschen Städte haben Ampelpärchen jeglicher Façon. So wurden im letzten Sommer in Frankfurt am Main zehn Ampeln an der Konstablerwache pünktlich zum Christopher Street Day permanent umgerüstet: Sie zeigen ein schwules und ein lesbisches Pärchen Hand in Hand und mit einem Herzchen. Auch in Hamburg und Flensburg gibt es solche Ampelpärchen.

Und wie steht es mit der Umbenennung der Zürcher Gaybrücke? Dass dieser Name wieder verschwindet, dürfte kaum umstritten sein. Doch stellt sich die Frage, ob es in der Stadt Zürich nicht an der Zeit wäre, der grossen und nicht unbelasteten Rolle der Stadt in der Geschichte der Anerkennung von homo- und bisexuellen Menschen bei den Strassennamen Rechnung zu tragen.
Der Kreis und die Amicitia
So gibt es in der Stadt Zürich zwar unweit des Zähringerplatzes an der Brunngasse 15 beim Barfüsser seit gut drei Jahren eine Gedenktafel für den einstigen Lesezirkel Der Kreis, der für homosexuelle Männer zum internationalen Treffpunkt wurde.
Keine der über 2500 Zürcher Strassen oder Wege aber wurde nach dieser Organisation benannt, obwohl sie in der Nachkriegszeit für die Homosexuellenbewegung in ganz Europa zum Vorbild und zur Hoffnungsträgerin wurde. Insbesondere ihr führender Kopf, der Schauspieler Karl Meier (Pseudonym: Rolf), hätte eine solche Ehrung zweifellos verdient.
Gleiches gilt etwa für Laura Thoma, die 1931 mit dem Damenclub Amicitia die erste Schweizer Lesbengruppe gründete und mit dem «Freundschaftsbanner» die erste Schweizer Zeitschrift für homosexuelle Frauen und Männer herausbrachte.

Der Kreis und Amicitia sowie Laura Thoma und Karl Meier würden fraglos die Bedingungen erfüllen, welche die Strassenbenennungskommission aufgestellt hat: Bei der Namenswahl werde «auf einen direkten historischen, lokalen und zukunftsgerichteten Bezug zum Quartier» geachtet, heisst es dort.
Immerhin war, zumindest in den letzten Jahrzehnten, Homosexualität kein Grund, jemanden nicht mit einem Strassennamen zu ehren. So wurde etwa dem schwulen Komponisten Paul Burkhard (Oh, mein Papa, Zäller Wienacht) 2008 eine Strasse in Seebach zugeeignet.
An der Hohen Promenade gibt es seit 1999 einen Caroline-Farner-Weg. Farner war die zweite Schweizer Ärztin und erste Allgemeinpraktikerin. Das ist der Grund der Ehrung durch einen Strassennamen. Ihre offen gelebte lesbische Beziehung führte einst zu einem eigentlichen Kesseltreiben gegen sie.
1892 wurde sie und ihre Partnerin Anna Pfrunder am Hauptbahnhof verhaftet. Die erste Schweizer Historikerin, Meta von Salis, erreichte zusammen mit Freundinnen einen Freispruch. Letztere wäre im Übrigen auch eine valable Kandidatin für einen Strassennamen.
Die Tochter sticht den Vater aus
Auch nach Annemarie Schwarzenbach wurde 1996 in Oerlikon ein Weg benannt. Sie wurde als Schweizer Journalistin und Schriftstellerin sowie Enkelin von General Ulrich Wille geehrt. Letzteres dürfte sie allerdings weniger geprägt haben als ihre enge Beziehung etwa zu Erika Mann, die eine Zeit lang ihre grosse Liebe war.
Diese bekam ebenfalls 1996 und ganz nahe beim Annemarie-Schwarzenbach-Weg einen Erika-Mann-Weg zugesprochen. Er wurde 2010 in der Stadt Zürich zur Erika-Mann-Strasse aufgewertet. Einigermassen erstaunlich ist, dass ihrem berühmteren Vater, Thomas Mann, bisher in der Stadt Zürich eine solche Ehre verwehrt blieb. Ebenfalls in diesem Quartier liegt die Therese-Giehse-Strasse, welche eine Zeit lang Erika Manns Lebensgefährtin war.
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