Die Geldpolitik stösst an ihre Grenzen
Negativzinsen waren nie beliebt. Ihre begrenzte Wirkung ruft nach noch exotischeren Massnahmen.
Markus Diem Meier
Es war eine geldpolitische Revolution, als die dänische Notenbank vor vier Jahren erstmals Negativzinsen eingeführt hat. Gemäss Lehrbüchern galten sie zuvor als unmöglich. Weil die Leute eher Bargeld halten können, statt für ausgeliehenes Geld auch noch etwas zu bezahlen. Immerhin schienen sich die schlimmsten Befürchtungen erst nicht zu bewahrheiten, schliesslich kostet auch die Bargeldhaltung etwas. Die Frage war daher immer, wie weit negativ solche Zinssätze gehen können.
Doch angesichts sich häufender negativer Folgen der Massnahme gerät sie auch unter Notenbankern zunehmend in Verruf. Das deutlichste Zeichen hat in der vergangenen Woche Mark Carney, der Chef der Bank of England, gesetzt. Negativzinsen hat er eine klare Absage erteilt. Begründet hat er das unter anderem mit Verweis auf die Schweiz, weil da die Massnahme letztlich zu höheren Kredit- und Hypothekarzinsen geführt habe. Noch mehr am Herzen lag ihm aber das Bankensystem, das europaweit ohnehin geschwächt ist, wie allein die um ein Viertel gefallenen Aktienkurse des gesamten Sektors im laufenden Jahr gemessen am europäischen Branchenindex Euro Stoxx zeigen. Durch Negativzinsen schrumpfen die Gewinnmargen der Finanzinstitute noch weiter. Ins gleiche Horn stösst der Internationale Währungsfonds (IWF), der erst am Donnerstag die Europäische Zentralbank davor gewarnt hat, die Zinsen für Einlagen der Banken auf den EZB-Konten weiter zu senken. Jetzt liegen sie bei – 0,4 Prozent.
Der IWF empfiehlt der EZB dagegen noch stärker auf den Aufkauf von privaten und staatlichen Anleihen zu setzen, das sogenannte Quantitative Easing (QE). Die Idee dahinter ist, die Wirtschaft so direkt mit Notenbankgeld zu fluten. Allerdings ist seit jeher auch diese Massnahme umstritten, da das Geld oft nur die Werte an den Kapitalmärkten ansteigen liess, ohne in der Realwirtschaft viel Wirkung zu zeigen.
Alternative: Helikoptergeld
Die abnehmende Wirkung der neuen Notenbankinstrumente wie QE und Negativzinsen führt dazu, dass Notenbanker und Ökonomen bereits über weitergehende Massnahmen nachdenken. Sie werden unter dem Begriff des Helikoptergelds zusammengefasst, was auf einen Vergleich des 2006 verstorbenen Geldtheoretikers Milton Friedman zurückgeht. Dieser schlug bildhaft vor, Notenbanken könnten das Geld unter die Leute bringen, indem sie es per Helikopter abwerfen lassen. In der Praxis bedeutet das, sie geben frisch geschaffenes Geld ohne Gegenleistung an Private, Banken oder den Staat ab. Bisher gibt es erst wenige Beispiele für ein solches Vorgehen. Unter Ökonomen ist zudem höchst umstritten, welche Risiken eine Notenbank damit eingehen würde.
Die abnehmende Wirkung der Geldpolitik macht vor allem deutlich, dass die Notenbanken in den Ländern mit anhaltenden konjunkturellen Problemen und einer zu tiefen Inflation an ihr Limit gestossen sind. Immer mehr in den Vordergrund rücken daher laut Daniel Kalt, Chefökonom der UBS Schweiz, fiskalpolitische Massnahmen, also eine Ankurbelung der Konjunktur über das Staatsbudget. Zumindest für die Schweiz sei aber hier nichts zu erwarten. Angesichts der Offenheit der Schweizer Wirtschaft würden hier höhere Staatsausgaben weitgehend im Ausland verpuffen.
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