Die Gier in Grenoble
Der Arzt, der Michael Schumacher behandelt, steht seit Tagen im grellen Scheinwerferlicht. Das ist ihm offensichtlich zuwider.

Über 250, die sich beim Sport in den Bergen lebensgefährlich verletzt haben, werden jährlich ins Universitätsspital von Grenoble eingeliefert. Wir kennen ihre Namen nicht, im Sommer sind es Kletterer, Wanderer, Gleitschirmflieger, im Winter Skifahrer, Snowboarder. Wir wissen nichts von ihrem Schicksal, in der Zeitung steht dann eine Notiz, wenn jemand nicht überlebt hat.
Vor einer Woche erfuhr die Welt innert Sekunden von seinem schweren Unfall. Michael Schumacher liegt im Spital von Grenoble, es geht um Leben und Tod. Jean-François Payen, der Leiter der neurochirurgischen Intensivstation, kümmert sich mit seinem Team um ihn, wie sie sich schon um viele Verunfallte gekümmert haben. Diesmal ist alles anders. Payen muss Auskunft geben, er steht im grellen Licht der Kameras, was ihm zuwider ist, und einmal sagte er vor den Journalisten: «Wir behandeln hier jeden anderen Patienten genauso wie Michael Schumacher, der einzige Unterschied sind Sie!» Er sagte es sehr zornig.
Sie, die Medien. Wir, die Öffentlichkeit. Schon kurz nach der ersten Eilmeldung standen TV-Übertragungswagen auf dem Spital-Parkplatz, gab es Livesendungen und schnell Spekulationen, und einer der Journalisten soll sich gar als Priester verkleidet haben, um so vielleicht in die bewachte Etage vordringen und noch exklusiver berichten zu können. Jemand stürzt beim Skifahren. Er prallt mit dem Kopf auf einen Felsen. Ein tragischer Unfall, wie viele.
In Méribel passierte es Michael Schumacher, er gehört weltweit zu den Bekanntesten. Von 250 anderen kennen wir den Namen nicht. Für den Mediziner Payen ist die mediale Gier vor dem Spital in Grenoble unerträglich. Nicht nur für ihn.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch