Die Griechen jubeln, bevor sie wählen
Nach dem Match ist vor der Wahl: Letzte Nacht noch feierte Griechenland den Einzug der Nationalmannschaft ins EM-Viertelfinale. Heute Morgen dann wurde die zukunftsweisende Parlamentswahl eröffnet.

Partystimmung vor der Schicksalswahl in Griechenland: Der Einzug der Nationalmannschaft ins Viertelfinale der Europameisterschaft hat die Fussballherzen trotz Krise höherschlagen lassen. Tausende Athener strömten gestern Abend auf den zentralen Omonia-Platz, um den überraschenden 1:0-Vorrundensieg ihrer Elf gegen Russland zu feiern.
Ausgelassen wurden griechische Flaggen geschwenkt, während Feuerwerkskörper den Himmel über der Hauptstadt erhellten. Manche schmetterten die Nationalhymne und legten sogar mitten auf der Strasse vor Freude ein Tänzchen hin. Dass sie damit den Verkehr aufhielten, schien die Autofahrer nicht sonderlich zu stören. Ganz im Gegenteil: Mit Hupkonzerten stimmten sie in das Treiben mit ein.
Den Europäern die lange Nase zeigen
Kurz vor der entscheidenden Parlamentswahl, die ihr wirtschaftliches Schicksal besiegeln könnte, haben die gebeutelten Griechen nicht nur wieder etwas zu feiern. Der unverhoffte EM-Erfolg bietet vielen einfachen Griechen offenbar die Chance, den Europäern einmal die lange Nase zu zeigen - und sich vom Image als das Schnorrerland Europas zu befreien.
«Das Ergebnis ist eine Botschaft an die Politiker und alle anderen, dass Griechenland nicht sterben und sich niemandem beugen wird», sagte der 62-jährige Chris Mbogosian. Der 29-jährige Vasilis Papaspyliotopoulos pflichtete ihm bei: «Griechen haben Herz und zeigen es. Gerade in Krisenzeiten halten wir zusammen.»
9,9 Millionen Griechen sollen wählen
Nur wenige Stunden nach dem grossen Jubel, um 07.00 Uhr (Ortszeit, 06.00 Uhr MESZ), haben die Wahllokale in Griechenland ihre Türen geöffnet. Insgesamt sind rund 9,9 Millionen Griechen zu den Urnen gerufen. Die Wahllokale schliessen um 19.00 Uhr Ortszeit, erste Hochrechnungen werden um 22.00 Uhr erwartet.
Letzte Umfragen sagten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der konservativen Nea Dimokratia (ND) und dem radikalen Linksbündnis Syriza voraus. Die ND ist für einen Verbleib in der Eurozone, sie will aber die internationalen Sparauflagen nachverhandeln. Syriza-Chef Alexis Tsipras dagegen will die Vereinbarungen ganz aufkündigen.
Merkel erhält den Druck aufrecht
Allerdings machten die anderen EU-Länder deutlich, dass sie nur bei Einhaltung der Sparauflagen weiter Hilfsgelder nach Athen überweisen wollen. Unter anderem sprach sich Merkel am Samstag in Darmstadt erneut gegen eine Lockerung der internationalen Vereinbarungen aus. Sie hoffe, dass aus der Wahl die Kräfte als Sieger hervorgingen, «die sagen, wir wollen uns an die Abmachung halten». Auch 74 Prozent der Deutschen sprachen sich in einer repräsentativen Emnid-Umfrage für die «Bild am Sonntag» gegen eine Lockerung der Sparauflagen aus.
Es ist bereits das zweite Mal innerhalb von nicht einmal zwei Monaten, dass ein neues Parlament gewählt wird. Nach der Wahl am 6. Mai war keine Regierungskoalition zustande gekommen, weshalb der jetzige Urnengang nötig wurde.
dapd/sda/fko
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