Die grosse Angst um Obama
Was, wenn einer den neuen Präsidenten Barack Obama erschiesst? Die Welt fürchtet sich vor einem Attentäter, der die Hoffnung töten könnte.
Die bange Frage ist oft zu hören: Was, wenn einer den neuen Präsidenten Barack Obama erschiesst?
Bereits vergangene Woche ging die Meldung um die Welt, die Behörden hätten zwei Skinheads aus dem Verkehr gezogen, die dies planten. Die beiden Neonazis Daniel Cowart und Paul Schlesselman wurden festgesetzt, bevor ihre Planung zu mehr reifen konnte als spätpubertärem Geschwätz voller rechtsradikaler Esoterik.
Die amerikanischen Bundesbehörden nehmen jede noch so dubiose Drohung gegen Präsidenten oder Präsidentschaftskandidaten ernst. Wer irgendwo schreibt oder sagt, er wolle den Präsidenten ermorden, bekommt mit ziemlicher Sicherheit Besuch von Beamten des Secret Service.
Das war schon immer so. Doch Skinheads und Rechtsradikale haben in der amerikanischen Gesellschaft und Politik im Gegensatz zu den meisten Ländern Europas keine Bedeutung. Ihr Niedergang hat inzwischen eine lange Geschichte. Mit Zivilprozessen ruinierten vor allem Bürgerrechtsanwalt Morris Dees und sein Southern Poverty Law Center die wichtigsten Gruppen. Sie reduzierten den Ku Klux Klan zu einer rassistischen Folkloregruppe, die White Aryan Resistance zu einem Vater-Sohn-Team in einem Wohnwagen und die Aryan Nations zu einer Postfachadresse. Rechtsradikalismus ist in den USA heute eine Domäne einiger Wirrköpfe mit viel Zorn, wenig Bildung und einer Webseite.
Gerade Barack Obamas Wahl zum ersten farbigen Präsidenten in der Geschichte Amerikas zeigt, dass der traditionelle Rassismus in Amerika keinen gesellschaftlichen Rückhalt mehr findet. Sie wird als Beweis dafür in die Geschichte eingehen, dass sich die amerikanische Gesellschaft seit der Bürgerrechts-Ära enorm weiterentwickelt hat. Doch die Skinheads haben mit ihrer Drohung ein altes Gefühl ausgelöst: die Angst vor der plötzlichen Verwundbarkeit der Nation.
Es waren nie die grossen gesellschaftlichen Bewegungen, die das US-System und seine Führung in Gefahr brachten, nie Verschwörungen finsterer oder subversiver Kräfte. Es waren die Einzelgänger, die aus dem Dunkel ihrer radikalen Existenz nur für einen kurzen Moment auf die Bühne der Geschichte traten und doch grosse Hoffnungen der Gesellschaft zerstörten.
Der Theaterschauspieler John Wilkes Booth organisierte die Ermordung Abraham Lincolns 1865 mit nur drei Komplizen. Der Anwalt Charles Julius Guiteau ermordete Präsident James Garfield 1881 genauso im Alleingang, wie der Anarchist Leon Frank Czolgosz 1901 Präsident William McKinley. Schliesslich 1963: Der mythenumwehte Todesschuss von Lee Harvey Oswald auf John F. Kennedy.
Es sind vor allem die Morde an Robert Kennedy und Martin Luther King, die als historische Schatten über Obamas Wahl liegen. Innerhalb weniger Monate zerstörten sie die Hoffnungen so vieler, dass die Errungenschaften der Bürgerrechts-Ära auch wirklich in Gesellschaft und Politik zementiert würden.
Am 29. März 1968 erschoss der geistesgestörte Kleinkriminelle James Earl Ray in Memphis die Leitfigur der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Am 6. Juni 1968 versteckte sich der fanatische Palästinenser Sirhan Sirhan in der Küche des Ambassador Hotels in Los Angeles und schoss den Präsidentschaftskandidaten Robert Kennedy in den Kopf. Beide gelten als Einzeltäter.
Hillary Clinton handelte sich viel Unmut ein, als sie im vergangenen Mai auf dieses Attentat anspielte und dies als Begründung benutzte, warum sie einen aussichtslosen Vorwahlkampf weiterführen müsse. Die Geschichte schien ihr fast recht zu geben. Während des Parteikonvents der Demokraten in Denver verhaftete das FBI drei Neonazis, die Obama während seiner Rede mit einem Scharfschützengewehr ermorden wollten. Wieder handelte es sich um Täter in eigener Mission.
Was Barack Obama aber wirklich mit Robert Kennedy verbindet, ist seine Rolle als Hoffnungsträger. Ähnlich wie der jüngere Kennedybruder könnte Obama der amerikanischen Geschichte neue und vor allem progressive Impulse geben. Da ist die Angst um den Verlust der Hoffnung mindestens so gross wie die Angst um das Leben von Barack Obama.
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