Die Grünliberalen beweisen, dass auch die Mitte Mode sein kann
Die junge Partei geht siegessicher ins Wahljahr, denn mit ihrem Umweltschutz für Wirtschaftsgläubige punktet sie links wie rechts. Doch noch fehlt ihr, was sie selber predigt: Nachhaltigkeit. Von Daniel Friedli
Martin Bäumle hat gut lachen. Schliesslich hütet der Zürcher Nationalrat und Chemiker jene politische Formel, aus der derzeit wie von selbst ein dickes Plus resultiert: Ein Teil «grün», ein Teil «liberal», den Mief daran ab- und das Ganze kräftig durchgeschüttelt – und fertig ist die Erfolgsrezept, das manch arrivierte Partei derzeit vor Neid ergrünen lässt. Denn die jungen Grünliberalen reihen damit Wahlsieg an Wahlsieg, ebenso zielsicher wie einfach: ohne charismatische Aushängeschilder, ohne grosse Kampagnen und ohne dass die Wähler so genau wissen, was sich hinter der Verpackung eigentlich verbirgt. Wie ist das möglich? «Die Partei ist frisch, unverbraucht, und sie trifft den Zeitgeist», lautet die meistgenannte Erklärung von Politbeobachtern. Ein Befund, dem auch Parteipräsident Bäumle nicht widerspricht: «Wir decken ein Marktsegment ab, das modern und zukunftsfähig ist», sagt er. Und so erstaunt nicht, dass Bäumle für die Seinen nun auch im nationalen Wählermarkt eine grosse Zukunft sieht. Aus den heute drei will er 2011 sieben oder acht Nationalratssitze machen und zudem die beiden Ständeratssitze von Verena Diener (ZH) und Markus Stadler (UR) verteidigen. So wäre auch das Hauptziel erreicht: Im Parlament den Schoss der CVP verlassen und eine eigene Fraktion gründen. Dass dies gelingt, halten viele Beobachter für gut möglich. Schliesslich hat die Partei in der laufenden Legislatur in allen Kantonen zugelegt, in denen sie bereits präsent ist. Und auch für die nationale Ausmarchung sagen ihr derzeit sämtliche Prognosen mindestens eine Verdoppelung des aktuellen Wähleranteils von 1,4 Prozent voraus. Dies, weil sie es derzeit als einzige Partei schafft, Stimmen aus allen politischen Lagern zu stehlen: Bei SP und Grünen jene, denen die Linke zu staatsgläubig und gewerkschaftsnah ist. Bei FDP und CVP jene, die in der traditionellen Mitte das ökologische Gewissen vermissen. Besteuern statt verbieten Zur Partei der Stunde kommen primär gut situierte Städter mittleren Alters, die sich das Motto leisten können, das die Partei predigt: über die Ökonomie zur Ökologie. Was in dieser «Lücke» (Nationalrätin Tiana Moser) steckt, hat bisher freilich weit weniger Diskussionen ausgelöst als der Erfolg, den die Grünliberalen damit erzielen. Ihr Prestigeprojekt ist eine ökologische Steuerreform, welche die Mehrwertsteuer durch eine Abgabe auf Gas und Öl ersetzen soll. Über eine entsprechende Volksinitiative will die Partei noch dieses Jahr befinden. Wenig Gehör fand bisher auch das Anliegen, Atomkraftwerke nicht einfach – wie die Grünen es wollen – stillzulegen, sondern ihren Strom mit einer Prämie so zu verteuern, dass der Preis das Risiko der AKW abbildet. Ringen um Nachhaltigkeit Mit diesen Ideen propagiert die Partei etwas, an dem sie selber noch arbeiten muss: die Nachhaltigkeit. Denn wie viele erfolgreiche Bewegungen wächst auch sie schneller, als sie es verkraften kann, wovon einige Irrungen und Wirrungen zeugen. Im Baselbiet trat der Vorstand der Grünliberalen im Zwist geschlossen zurück; und in Opfikon wurde der Gemeinderatspräsident ausgeschlossen, weil er grün primär als Nicht-Schwarz definierte – und sich gegen die Ansiedlung von Nicht-Weissen in Europa aussprach. Wie weit die aktuelle Welle die Grünliberalen noch trägt, wird darum auch davon abhängen, ob es ihnen gelingt, eine stabile Struktur aufzubauen und sich ein breiteres Profil zu geben. Der Blick ins Ausland scheint dabei nicht für die historische Notwendigkeit zu sprechen, die einige Mitglieder ihrer Partei zusprechen: Die entsprechenden Strömungen wurden dort von arrivierten Parteien aufgenommen – was den Grünliberalen nun auch in der Schweiz blüht. Von den Grünen bis zur CVP hausieren derzeit (fast) alle mit den Modebegriffen Green Deal oder Cleantech. Angst davor hat Martin Bäumle indes nicht, auch weil er weiss, welche Erfahrungen als letzte Trendsetter die Grünen gemacht haben: Je mehr Parteien ein Anliegen kopieren, desto stärker profitiert das Original. Der Herbst in einem Jahr wird zeigen, wofür sich der Markt entscheidet. Mit den Begriffen Green Deal und Cleantech hausieren heute auch andere. Parteipräsident Martin Bäumle will hoch hinaus. Foto: Marc Wetli (13 Photo)
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch