
Mehrmals ging die Schweiz als Pionierland voran, um dann von anderen Ländern abgehängt zu werden. Bei der eingetragenen Partnerschaft geht selbst das katholisch-konservative Irland weiter, bei der Förderung der alternativen Energien ist uns Deutschland weit voraus, und beim Umgang mit Cannabis bewegen sich sogar Teile der USA mehr als die Schweiz.
Der Bundesrat hatte eine Reform des überholten Betäubungsmittelgesetzes von 1977 ausformulieren lassen, die unter anderem eine Entkriminalisierung des Cannabiskonsums vorsah. Der Ständerat hielt mit; man teilte die Ansicht der Experten, die den Drogenkonsum als medizinisches und nicht als strafrechtliches Problem betrachteten. Doch der Nationalrat, angeführt von der CVP und den welschen Hardlinern, verweigerte den Kompromiss und killte die Reform. Das war im Juni 2004.
Jetzt probiert man es wieder auf ängstlichem Niveau. Die Stadt Bern startet einen dreijährigen wissenschaftlichen Versuch mit dem Verkauf von Rauschhanf in der Apotheke. Die Fachleute wollen herausfinden, wie sich die Freigabe auf den Konsum auswirkt und ob er den illegalen Drogenhandel ein wenig dämpfen kann.
«Gebt dieses Schlafmittel frei»
Dass die Schweiz jetzt, wenn auch zaghaft, eine Legalisierung von Cannabis vorbereitet, ist überfällig. Die Kriminalisierung der Konsumenten hat offensichtlich keine abschreckende Wirkung mehr. Zudem wissen die Kiffer nicht, was für Düngemittel sie beim Rauchen mitinhalieren und wie stark der Stoff überhaupt ist, den sie zu sich nehmen. Beides ist gefährlich, beides liesse sich über eine legale Abgabe korrigieren. Dass 15-Jährige schon am Morgen zugedröhnt in die Schule taumeln: Das muss alarmieren, aber ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Kriminalisierung versagt hat. Die Drogengegner wollen das nicht einsehen. Ihr Problem liegt darin, dass die meisten entweder keine Ahnung haben, wovon sie reden, oder als ehemalige Süchtige selber unfähig sind, massvoll mit Drogen umzugehen.
Deshalb hat der Musiker Chris von Rohr recht mit seiner Losung, die er einmal im «SonntagsBlick» ausgab: «Gebt dieses Schlafmittel frei.» Aus seiner sarkastischen Formulierung lässt sich ein weiterer Kollateralnutzen der Legalisierung ableiten: Der Substanz würde so der letzte Rest einer Romantisierung entzogen, die sie bis heute umflort. Denn der illegale Status von Cannabis nährt die Vorstellung, das Kiffen sei eine Form des Protests, eine wie auch immer verstandene Reaktion auf das System. Und es erlaube kühne Einsichten in globale Zusammenhänge.
Das Lachen wird zum Leistungssport
Wenn Kiffer so etwas behaupten, belegen sie die beiden schlimmsten Vorurteile über die Wirkung ihrer Droge: Einfalt und Paranoia. Wer schon nüchtern mit einem Bekifften diskutiert hat, wird das nicht als interessante Erfahrung in Erinnerung behalten. Wer als Bekiffter mit anderen Bekifften die Welt erklärte, hat sich einen Abend lang glänzend unterhalten, das meiste aber am nächsten Morgen vergessen. Das hat das Cannabis mit dem Alkohol gemein.
Im besten Fall funktioniert die Substanz als Genussmittel, das die Sinne anspricht, das Musikhören in Farben verwandelt, den Sex intensiviert und das Lachen zu einer Sportart macht. Haschisch hat Künstler dazu inspiriert, die ästhetischen Grenzen ihrer Arbeit zu überwinden. Aber keiner wurde zum Pablo Picasso, der vorher ein Rolf Knie gewesen war.
Es klingt ironisch, aber die beste Parodie auf die angebliche Inspiration durch Inhalation bleibt ihre Beschwörung. Zu sehen im Film «Easy Rider» von 1969 mit Peter Fonda, Dennis Hopper und Jack Nicholson. Die Mutter aller Roadmovies und der Vater aller Drogenverfilmungen. Nicholson spielt in dem Film, der ihn zum Star machte, einen alkoholischen Anwalt, der am Lagerfeuer seinen ersten Joint raucht und dann seine Theorie über das Wesen der Venusmenschen vorträgt. Zuletzt macht der Hippie Wyatt (Fonda) den Joint aus. «Wir rauchen ihn morgen als Erstes zu Ende», sagt er. «Das gibt dir einen völlig anderen Blick auf den Tag.» Er hat recht: bewölkt bis in die Niederungen.
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Die Hanf-Legalisierung ist überfällig
Vom geplanten Pilotversuch würden vor allem die Lungen der Langzeit-Konsumenten profitieren.