Film-Highlights der WocheDie Jugendfilmtage beginnen mit einem vermissten Mädchen
Neben dem Festival startet «La Mif» im Kino, ein Schweizer Drama um ein Jugendheim. Ausserdem läuft «C’mon C’mon», der neue Film mit Joaquin Phoenix.

Schweizer Jugendfilmtage
Fünf Menschen treffen sich in einem Kinderzimmer. Eigentlich wohnt hier Emily, doch das Teenager-Mädchen ist verschwunden. Ihre Eltern wollen jetzt von der Klassenlehrerin, der Trainerin, der besten Freundin wissen: Wo ist unsere Tochter? «Emily war in letzter Zeit sehr ausgelaugt», sagt die Trainerin. Die Mutter ist bisher davon ausgegangen, dass das Mädchen den Sport aufgegeben hat. Wie sich herausstellt, weiss niemand von den fünf wirklich, wie es in Emily aussieht.
Der Kurzfilm «Das laute Schweigen» eröffnet die 46. Ausgabe der Schweizer Jugendfilmtage. Mit der Idee dazu gewann die junge Regisseurin Melinda Müller letztes Jahr den Wettbewerb «Klappe auf!», den das Festival ausschreibt. Da können Nachwuchstalente ihre Storys pitchen; der Gewinner-Beitrag wird dann gedreht und feiert an den Filmtagen im nächsten Jahr Premiere. Es ist immer wieder spannend, zu sehen, wie junge Menschen Erzählkonventionen und Filmsprache erproben – entsprechende Beispiele zeigen auch die 43 Werke aus dem Wettbewerbsprogramm, gedreht vom filminteressierten Nachwuchs aus der Schweiz.
Daneben sind die Ostsee-Staaten in Zürich zu Gast; zu sehen sind kurze Produktionen aus Dänemark, Schweden, Estland und Co. Aus Polen etwa stammt «Between», eine unheimliche, aber eindrückliche Puppenanimation: Ein Mann steht in einem Feld, sieht sich den Mond durch ein Fernrohr an und ist derart fasziniert, dass er nicht merkt, wie ihn die Vegetation überwuchert. Eine andere Art des Verschwindens. (ggs)
Mi 23.3.–So 27.3., Kosmos
Eröffnung mit «Das laute Schweigen»: Mi 23.3., 19 Uhr
Programmblock «Sisterhood & Solitude» mit «Between»: Do 24.3., 18 Uhr
La Mif
Drama von Fred Baillif, CH 2021, 110 Min.
Sex im Jugendheim? Das geht natürlich nicht. Die Heimleiterin Lora (Claudia Grob) – sie war bis vor kurzem noch krankgeschrieben – versucht, ihre Schützlinge unter Kontrolle zu bringen. Doch bald diktieren die Behörden, dass nur noch Mädchen im Heim wohnen dürfen. Angesichts deren Herkunft aus zerrütteten Familien fangen die Probleme erst richtig an.
In seinem Sozialdrama gelingt es dem Westschweizer Regisseur Fred Baillif, mit episodischer Erzählweise, Improvisation und Handkamera ein würgendes Gefühl der Klaustrophobie heraufzubeschwören. Das Heim erscheint als Brennpunkt einer kollektiven Überforderung. Dazu mischt Baillif bewusst Realität und Fiktion, Lebenshunger und Verzweiflung, wobei fast alle Rollen von Laien mit Heimerfahrung gespielt werden.
Mit dem Resultat, dass «La Mif» (Kurzform für Familie) einer der kraftvollsten und verstörendsten einheimischen Filme der jüngsten Zeit ist. Für den Schweizer Filmpreis Ende März geht er mit sechs Nominierungen ins Rennen. (zas)
Filmpodium, Riffraff
C’mon C’mon
Drama von Mike Mills, USA 2021, 108 Min.
Kinder sind anstrengend, das gilt besonders für den neunjährigen Jesse (Woody Norman). Der holt samstags früh seinen Onkel Johnny (Joaquin Phoenix) aus dem Bett, indem er die Lautstärke der Stereoanlage ausreizt. «Am Samstag darf ich laut sein!» Der Radiojournalist passt auf den Kleinen auf, solange dessen Mutter (Gaby Hoffmann) sich um einen Familiennotfall kümmert.
Regisseur Mike Mills («20th Century Women») zeigt, inspiriert von seinen Erfahrungen als Vater, die Annäherung eines eher ichbezogenen Mannes an die Bedürfnisse eines Kindes. Ein Film nicht zuletzt darüber, wie Jungen und Männer mit Gefühlen umgehen. Rührend ist das und in wunderschöne Schwarzweissbilder gefasst. (ggs)
Arthouse Alba, Kosmos
Woche der Nominierten
Am Freitag, 25.3., wird der Schweizer Filmpreis verliehen. In der Woche zuvor kann man sich alle nominierten Werke ansehen, am Wochenende dann die Gewinnerfilme. Da läuft etwa der oben besprochene «La Mif» oder das im April startende Drama «Soul of a Beast», das mit acht Nominierungen einen Rekord aufstellt. Am Samstag läuft der Director’s Cut von «Vollmond»; Regisseur Fredi M. Murer wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet. (ggs)
Mo 21.3.–So 27.3., Filmpodium
Pieces of Her
Thrillerserie von Charlotte Stoudt, USA 2022, 8 Folgen
Seit «Muriel’s Wedding» (1994) hat die australische Darstellerin Toni Collette eine äusserst stabile Karriere zwischen Mainstream, Genrekino und Theater hingelegt.
In «Pieces of Her», der Serien-Adaption des Kriminalromans von Karin Slaughter, spielt sie die Therapeutin Laura Oliver, die zusammen mit ihrer 31-jährigen Tochter Andy (Bella Heathcote) im Örtchen Belle Isle in Georgia lebt.
Als Andy miterlebt, wie ihre Mutter einen Amokläufer in einem Restaurant unschädlich macht, stellt sie Recherchen an und deckt in der Folge erstaunliche Informationen über ihre Mutter auf. Deren Geschichte sehen wir in Rückblenden, die nicht alle zur Spannung beitragen. Aber insgesamt ist es doch verblüffend, wie anhand einer Thriller-Erzählung ein Porträt einer Mutter-Tochter-Beziehung entsteht, die mit Lebenslügen, aber auch mit Zurückweisung und der Suche nach Nähe zu tun hat. (blu)
Auf Netflix
Memento: Wo Spoilern Pflicht ist
Es geht hier nicht um den Christopher-Nolan-Thriller «Memento», sondern um einen Wettkampf. Einen Film nachzuerzählen, ist eine Kunst für sich. Wer ein besonderes Talent dafür hat, kann sich auf der Bühne mit anderen messen. Mitmachen dürfen alle, jede und jeder hat 10 Minuten Zeit, Hilfsmittel sind nicht erlaubt. Am Ende bestimmt das Publikum den besten Beitrag. Anmeldung mit Filmtitel an spoiltheconference@isek.uzh.ch. Der Anlass findet im Rahmen von #spoiltheconference statt, einer Tagung zum Thema Spoiler. (ggs)
Fr 18.3., 20 Uhr, Kosmos Klub
#spoiltheconference: Do 17.2.–Sa 19.3.
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