Die Katzenstreichler
Spielen, streicheln, schmusen im Tierheim des Zürcher Tierschutzes. Der Zweck? Eine bessere Zukunft für die Katzen.
Träge liegen sie herum, der erste Schnee macht auch sie müde. Als Ursula Meyer in das Zimmer tritt, hebt Baghiro den Kopf und Chasper öffnet ein Auge. Nur Kenai kommt näher und schleicht um die Beine. «Ja guten Tag Kenai, wie geht es denn dir heute?», fragt Meyer, erwartet aber keine Antwort und legt sich auf einen beigen Teppich am Boden. Die Katzenstreichlerin ist in ihrem Element. In dem Zimmer hausen zurzeit zehn Katzen. Holzbäume, Kletterbalken und verschiedene Körbe und Tücher stehen für die Bewohner bereit – und viele grosse Katzenklos. Zudem können die Tiere über eine Leiter auf das Dach hinaus – ein Ort, wo die Streichler nicht hin gelangen.
Wer hier wohnt, wurde vorbeigebracht, verstossen oder dem Halter weggenommen. Oder ist schlicht nur für die Ferien da. Im Tierheim des Zürcher Tierschutzes, das neben der Masoalahalle des Zoos liegt, sind im Moment 38 Katzen zu Hause, und 8 sind in der Warteschleife. Die Anzahl variiert. «Das ist das Schöne hier, alle Katzen finden wieder eine neue Bleibe. Bei den einen dauert es etwas länger, bei den anderen etwas kürzer», sagt die 56-jährige Ursula Meyer. Oft bleiben die Tiere nur wenige Wochen im Heim. Vor allem verschmuste und verspielte werden schnell adoptiert – viele Katzen sind anfänglich aber noch sehr scheu.
Zeit und innere Ruhe
Und da kommen die 17 Katzenstreichler – 3 Männer und 14 Frauen im Alter zwischen 30 und 70 Jahren – ins Spiel. Gemäss Rommy Los, dem Leiter des Tierheims, gibt es drei Aufgaben für Leute wie Ursula Meyer. Erstens sollen sie die Tiere beschäftigen. Zweitens sind sie angehalten, den Tierpflegern jedes ungewöhnliche Verhalten zu melden. Da die Streichler viel Zeit mit einem Tier verbringen, fallen ihnen oft andere Sachen auf als den Pflegern. Drittens sollen die Streichler die Katzen wieder an Menschen gewöhnen. Nicht bei allen Tieren sei das nötig, aber viele hätten schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht und zögen sich deshalb zurück, sagt der Tierheimleiter. Mit den Liebeseinheiten von Ursula Meyer soll diese Schüchternheit schwinden, was den Erfolg bei einer Adoption erhöht.
Katzenstreichler werden könne eigentlich jede Person, sagt Los. «Die, die sich dafür interessieren, bringen meistens das Nötige mit.» Interessierte können sich beim Tierheim melden. Besteht Bedarf, erhält die Person eine Einführung, und beide Seiten unterzeichnen eine Vereinbarung. Wichtige Voraussetzungen seien vor allem Zeit und eine gewisse innere Ruhe. Denn die Katzen stehen im Tierheim oft in einem latenten Stresszustand.
Ruhe ist etwas, das die Katzenstreichlerin Ursula Meyer ausstrahlt. Sie ist gelernte Pharmaassistentin und kümmert sich heute um ihre Familie. Sie hat auch zu Hause in Oerlikon zwei Katzen. Dennoch kommt sie seit fast drei Jahren jeden Donnerstag und so oft wie möglich auch am Montag ins Tierheim. Sind die eigenen Katzen nicht eifersüchtig, wenn sie jeweils voller fremder Katzenhaare heimkommt? Meyer verneint: «Die bekommen deswegen nicht weniger Zuneigung von mir.»
Ursula Meyer hatte immer Tiere zu Hause. Mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern hielt sie Hasen, Wüstenspringmäuse, Meerschweinchen, Zwerghamster, Fische, Wasserschildkröten, Wellensittiche, Katzen, in den Ferien auch Hunde und eine Rattenzucht.
Langsam Vertrauen gewinnen
An ihrem Streichel-Donnerstag trägt Ursula Meyer um 14.15 Uhr ihren Namen beim Eingang ein, geht die Treppen hoch, desinfiziert ihre Hände, zieht bequeme Hausschuhe an und wählt ein Spielzeug aus. Heute hat sie sich eine Rute mit einem langen Fellstreifen ausgesucht. Die Katzen brauchen eine Weile, bis sie sich getrauen, die neuen Personen im Zimmer zu beschnuppern. «Mir ist wichtig, dass die Katzen das Tempo vorgeben. Ich lasse ihnen Zeit, zu mir zu kommen.»
Nur die schwarze Katze Kenai begrüsst alle, sie streicht schnurrend um die Beine. Auch den Fotoapparat des Fotografen will sie genau anschauen. «Sie ist sehr verschmust, reagiert aber manchmal zickig auf andere Katzen», sagt Meyer. In diesem Moment stellt Kenai die Rückenhaare auf und faucht, denn auch die weiss-graue Katze Chaspar fordert ein paar Streicheleinheiten ein.
Ursula Meyer kennt all die Katzen beim Namen, genauso wie all ihre Eigenheiten. Sie spricht viel mit den Tieren, erzählt ihnen alles. «Das sind wie meine persönlichen Tagebücher, ausser dass ich das Erlebte nicht wieder nachschlagen kann», sagt sie schmunzelnd. Einen Liebling hat sie im Zürcher Tierheim aber nicht, obwohl ihr gewisse Katzen mehr ans Herz wachsen als andere. Am liebsten nimmt sie sich Zeit für die scheuen Tiere. «Wenn sich diese Katzen mit der Zeit mehr zutrauen und sich annähern, ist das ein wunderbares Gefühl.»
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