«Die Lage ist erschreckend»
Micheline Calmy-Rey hat das Flüchtlingslager in Kenia besucht. Der Bundesrat hat die humanitäre Hilfe um 4,5 Millionen Franken aufgestockt, die UNO drei weitere Regionen zu Hungergebieten erklärt.
Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey will das Engagement der Schweiz in dem von der Hungersnot betroffenen Gebiet in Ostafrika ausbauen. Sie besuchte das Flüchtlingslager in Dadaab im Nordosten Kenias. Calmy-Rey habe in dem Camp 100 Kilometer südwestlich der Grenze zu Somalia unter anderem den Empfangsbereich des Lagers besucht, sagte Lars Knuchel, Informationschef des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Dort würden die ankommenden Menschen medizinisch erfasst und versorgt.
Die Bundespräsidentin sei erschüttert über die Lebensbedingungen in dem Lager, sagte Knuchel. Nach ihrem Besuch habe sie in einer ersten Analyse festgestellt, dass das bestehende Engagement der Schweiz in dieser Region auszubauen sei. Calmy-Rey prüfe einen entsprechenden Antrag, den sie dem Bundesrat stellen möchte.
Calmy-Rey richtet Fokus auf die Kinder
Einerseits müsse die Überlebenshilfe für die Menschen im Lager erhöht werden. Dabei möchte Calmy-Rey einen besonderen Fokus auf die Kinder richten. Es sei aber auch wichtig, im Kontext zu denken: So müsse auch versucht werden, den Menschen in Südsomalia nachhaltig zu helfen, damit diese sich einen Teil ihrer Lebensgrundlage wieder selber sichern können.
Schliesslich dürften die Menschen in Kenia, die rund um das Lager leben, nicht vergessen gehen. Hier solle unter anderem ein Schwerpunkt auf die Wasserversorgung gelegt werden. Calmy-Rey war bereits am Dienstag nach Kenia gereist. Dort traf sie sich mit Vertretern internationaler Organisationen und Fachleuten, die mit der Ernährungskrise und der Hungersnot in diesem Teil der Welt beschäftigt sind, bevor sie am Mittwoch das Flüchtlingslager besuchte. Am Abend flog sie zurück in die kenianische Hauptstadt Nairobi. «Die Lage ist erschreckend», sagte die Bundesrätin gegenüber der Tagesschau. Vor allem die Zahl der täglich neu eintreffenden Flüchtlinge sei beeindruckend.
Bundesrat zeigt sich betroffen
Gleichentags bschäftigte sich auch der Bundesrat in Bern mit der Hungerkatastrophe in Ostafrika. Im Rahmen einer Telefonkonferenz wurde im Besonderen die Lage in Äthiopien, Somalia und Kenia erörtert. Das Schicksal der Bevölkerung in diesen Ländern mache den Bundesrat sehr besorgt und betroffen, schrieb die Bundeskanzlei in einer Mitteilung.
Seit Anfang Jahr hat die Schweiz laut der Mitteilung mit insgesamt 14 Millionen Franken zur Linderung der Not am Horn von Afrika beigetragen. Vor zwei Wochen beschloss die humanitäre Hilfe des Bundes, den betroffenen Gebieten mit zusätzlichen 4,5 Millionen Franken zu helfen.
Seit Anfang Jahr hat die Schweiz laut der Mitteilung mit insgesamt 14 Millionen Franken zur Linderung der Not am Horn von Afrika beigetragen. Vor zwei Wochen beschloss die humanitäre Hilfe des Bundes, den betroffenen Gebieten mit zusätzlich 4,5 Millionen Franken zu helfen.
40'000 Flüchltinge im Juli
Besonders im kenianischen Dadaab ist die Lage alarmierend. In Teilen des grössten Lagers der Welt in Nordkenia sei die Quote der Kinder unter fünf Jahren, die die Hungersnot nicht überlebten, zuletzt von 1,2 auf 1,8 pro 1000 Kinder gestiegen, teilte die UNO mit.
Diese Zahlen bezögen sich ausschliesslich auf Todesfälle in den medizinischen Zentren in dem Lager. Dabei sei kaum abzuschätzen, wie viele Kinder täglich in anderen Teilen des Camps ums Leben kämen.
Gleichzeitig seien die Zahlen akut unterernährter Menschen in Dadaab mittlerweile «alarmierend hoch». Allein im Juli seien 40'000 Hungernde angekommen - dies sei die höchste Zahl seit 20 Jahren, berichtete das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR).
Täglich kämen durchschnittlich 1300 weitere verzweifelte Somalier hinzu. Obwohl die Organisation bereits tausende Notunterkünfte aufgebaut habe, seien 45'000 weitere Zelte nötig, um dem Ansturm zu begegnen.
Lager ist nur für 90'000 Menschen gebaut
In Dadaab leben derzeit fast 400'000 Menschen; die meisten von ihnen stammen aus dem Bürgerkriegsland Somalia. Ursprünglich war das Lager für 90'000 Menschen gebaut worden.
Die Lage im äthiopischen Flüchtlingszentrum Dolo Ado sei ähnlich kritisch. «Immer neue Flüchtlinge kommen geschwächt und ausgemergelt vom Hunger und dem langen Fussmarsch aus ihren Dörfern an», hiess es. «Eins von drei Kindern, das in Dolo Ado ankommt, ist unterernährt.»
Drei Camps in der Region haben ihre Kapazität bereits erreicht. Ein weiteres Lager, Hilaweyn, soll voraussichtlich Anfang kommender Woche eröffnet werden. Es bietet Platz für 60'000 Menschen.
Auch innerhalb Somalias, wo die Menschen am meisten unter der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren leiden, sei die Zahl der Unterernährten extrem hoch, berichtete das UNHCR.
Die Menschen aus dem besonders hart getroffenen Süden des Landes flüchten auf der Suche nach Hilfe in die Nachbarländer, aber auch in die Hauptstadt Mogadiscio. Die UNO schätzt, dass fast zwölf Millionen Menschen am Horn von Afrika Hunger leiden.
Drei neue Hungersnotgebiete
Inzwischen erklärten die Vereinten Nationen am Mittwoch drei weitere Regionen in Somalia als Gebiete mit einer Hungersnot. Dazu zählt auch die Flüchtlingsgemeinde in Mogadiscio.
Insgesamt gibt es damit gemäss der UNO in Somalia fünf Gebiete mit einer Hungersnot. Die südlichen Regionen Bakool und Lower Shabelle waren bereits am 20. Juli zu Hungersnot-Regionen erklärt worden.
Eine Hungersnot gibt es laut UNO dann, wenn in mindestens 20 Prozent der Haushalte extremer Nahrungsmittelmangel herrscht und mehr als 30 Prozent der Menschen stark unterernährt sind. Ein weiterer Richtwert ist der Hungertod von täglich mindestens zwei Menschen pro 10'000 Einwohner.
Geberkonferenz verschoben
Eine Geberkonferenz zur Unterstützung der Hungernden in Somalia wurde um mindestens zwei Wochen verschoben. An der ursprünglich für kommenden Dienstag geplanten Konferenz sollen afrikanische Staats- und Regierungschefs und Vertreter internationaler Organisationen teilnehmen.
Ein Beraterin des AU-Vize-Vorsitzenden Erastus Mwencha sagte am Mittwoch in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, die Konferenz sei zu kurzfristig angekündigt worden.
SDA/miw
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