Die lautlose Freude
Kein Motorengeräusch, kein Auspuffsound – Töfffahrer glauben noch nicht an die elektrische Revolution. Das ist ein Fehler.

Wer an Elektromobilität auf zwei Rädern denkt, dem fallen als Erstes die boomenden E-Bikes ein. Auch Pizzakuriere sind oft schon auf kleinen Elektrorollern unterwegs. Aber bei Motorrädern oder Grossrollern hat der E-Antrieb noch immer Exotenstatus. Für Motorradfahrer spielt dabei nicht nur die Batteriereichweite eine Rolle, sondern auch die Angst, dass mit so einem leise surrenden Gefährt der Fahrspass auf der Strecke bleibt – so ganz ohne Motorengeräusch und Auspuffsound. Doch diese Sorge ist völlig unbegründet, wie ein Test dieser Zeitung gezeigt hat. Im Einsatz waren zwei Elektromotorräder des kalifornischen Herstellers Zero sowie der Elektroroller C Evolution von BMW.
In keiner Sekunde vermisst man einen röhrenden Auspuff.
Zero gibt es erst seit 2007, doch seither hat der US-Hersteller seine Maschinen stetig verbessert. Die beiden Testmaschinen, die Zero SR und die Zero DSR Black Forest, decken bei gleichem Motorenkonzept unterschiedliche Segmente ab. Die SR ist ein Strassenmotorrad für den urbanen Einsatz oder kürzere Touren; mit der Black Forest, einer Enduro, die mit Koffern und Sturzbügeln angeboten wird, will Zero zeigen, dass auch längere Touren mit einer Elektromaschine möglich sind.
Enormer Vortrieb
Herzstück der Zero-Motorräder ist ein eigenständig entwickelter Elektromotor und eine leistungsstarke Lithium-Ionen-Batterie, die in zwei Grössen angeboten wird. Trotz der nominell «nur» 69 PS (oder 60 PS bei der Black Forest) ist die Kraft, die dieses Paket entfaltet, atemberaubend und lässt die meisten konventionellen Motorräder alt aussehen. Ab der ersten Sekunde steht das volle Drehmoment zur Verfügung. Kein Kuppeln, kein Schalten, keine Verzögerung durch ein Automatikgetriebe, sondern enormer Vortrieb, den man durch drei unterschiedliche Fahrmodi regulieren kann. In keiner Sekunde vermisst man einen röhrenden Auspuff oder das Pulsieren eines Verbrennungsmotors, sondern geniesst ein gleitendes, ruck- und vibrationsfreies Fahrerlebnis. Zumal sich beide Maschinen sehr leicht fahren lassen.

Bleibt die Gretchenfrage nach der Reichweite. Bei der SR wird die maximale Reichweite mit 359 Kilometern angegeben, bei der Black Forest liegt sie bei 262 Kilometern. Allerdings sind dies theoretische Werte bei Idealbedingungen. Die Reichweite für einen kombinierten Verkehr aus Stadt, Landstrasse und Autobahn liegt bei 242 Kilometern (SR) und 169 Kilometern (Black Forest). Das ist genug für den Kurzstreckenverkehr, denn wer das Motorrad an eine normale Haushaltssteckdose hängen kann, lädt es über Nacht wieder auf. Das dauert allerdings gut zehn Stunden. Für die Black Forest, die ja auch für grössere Touren geeignet sein soll, ist eine solche Ladezeit natürlich indiskutabel. Hier sollte man unbedingt für zusätzlich knapp 2700 Euro einen Charge-Tank ordern, mit dem sich die Ladezeit an Level-2-Ladestationen deutlich verkürzen lässt. Mit einer Stunde Ladezeit sollen so bis zu 150 zusätzliche Kilometer möglich sein.
Haupthindernis für einen Umstieg ist der Preis. Für eine SR mit grosser Batterie werden knapp um die 23000 Franken fällig. Damit bewegt man sich im Luxussegment. Wer es kleiner, aber kaum weniger spassig mag, findet bei Zero auch knapp 140 Kilogramm leichte Enduros ab rund 14000 Franken, die mit 46 PS und einem Drehmoment von 106 Nm alle Wünsche erfüllen. Wenn im Schnitt auch nur um die 80 Kilometer lang, bevor es an die Steckdose geht. Trotzdem wird der Elektroantrieb bei Motorrädern künftig eine immer wichtigere Rolle spielen, denn auch in der Motorradszene sorgen die Diskussionen um Streckensperrungen wegen zu grosser Lärmbelästigung für Unruhe.
Agiler E-Roller
Bei den Motorrollern könnte sich der E-Antrieb schneller durchsetzen. Zu den wenigen leistungsstärkeren E-Rollern zählt der BMW C Evolution. Der mit 48 PS Maximalleistung ausgestattete Stromer fährt sich extrem agil. Getestet wurde die Long-Range-Version, die bei sommerlichen Temperaturen und einer relativ ebenen Topografie auf 150 Kilometer Reichweite kam – und damit recht nah an den von BMW versprochenen 160 Kilometern lag.
Im Alltagsbetrieb fiel auf, dass der Roller wenig Stauraum bietet. Ins Fach unter dem Sitz passt ein Integralhelm nur mit Mühe, der hohe Mitteltunnel frisst zudem viel Fussraum. Und wer das Ladekabel samt Stecker im dafür vorgesehenen Fach im Windschild verstauen will, muss einiges an Origami-Künsten mitbringen. Als nützlich erwies sich der Rückwärtsgang, um das 275 Kilogramm schwere Zweirad zu rangieren. Der Preis ist happig: Knapp 14650 Franken verlangt BMW für die Basisversion mit 100 Kilometer Reichweite, die Long-Range-Variante kostet 1760 Franken mehr. Sehr viel Geld für einen Scooter, der zwar Spass bereitet, im Alltag aber auch Defizite aufweist.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch