Die «letzte Schlacht» in Syrien hat begonnen
Die syrische Armee hat den Sturm auf Aleppo gestartet. Mit Helikoptern und Panzern feuert sie Raketen auf von Rebellen gehaltene Viertel. Die Welt warnt vor einem Massaker – nur Russland zeigt Verständnis.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als ein Feuersturm über der 2,5 Millionen Einwohner zählenden Stadt Aleppo hereinbricht. Mit Hubschraubern und Panzern feuert die syrische Regierungsarmee von 4 Uhr morgens an stundenlang Raketen und Granaten auf Salaheddin und andere Viertel, in denen sich die Aufständischen verschanzt haben. In der berühmten Weltkulturerbe-Stadt im Nordwesten Syriens droht ein zerstörerischer Häuserkampf, während die Lage für die verbliebenen Zivilisten immer schlimmer wird.
Die syrische Führung um Präsident Baschar al-Assad hat ihre Drohung wahr gemacht und ihre Offensive gegen die Rebellen in Aleppo gestartet. Nach Angaben der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte brachen dort «die schlimmsten Kämpfe seit Beginn des Aufstandes» gegen Assad vor 16 Monaten los.
Vormarsch abgewehrt
Zwei Tage lang hatte die syrische Armee Soldaten, Panzer und schwere Waffen rund um die zweitgrösste Stadt des Landes zusammengezogen, während die Aufständischen versuchten, sich mit leichten Waffen und einigen Panzerabwehrraketen zu wappnen. Mit rund hundert Panzern hat die Regierungsarmee das Viertel Salaheddin umstellt.
Flankiert von der schweren Artillerie versuchen die Regierungssoldaten, in Salaheddin vorzudringen. Ein erster Vormarsch sei abgewehrt worden, sagt Abdel Dschabbar al-Okaidi, ein Oberst der aufständischen Freien Syrischen Armee (FSA). «Wir haben acht gepanzerte Fahrzeuge zerstört.»
Koranverse vor Moscheen
Auch einen Angriff auf das Viertel Hamdanijeh können die Aufständischen zunächst abwehren. Auf der Strasse sind drei zerstörte Panzer und zwei gepanzerte Fahrzeuge sowie die Leichen von fünf bis sechs Soldaten und vier Rebellen zu sehen. Unter den Rebellen sind auch ausländische Kämpfer, die sich als Brigade der vereinigten Mujahedin ausgeben. Sie berichten, sie kämen aus Algerien, Frankreich, Schweden und Tschetschenien.
Ein von den Aufständischen veröffentlichtes Internetvideo zeigt Milizen, die wie von Sinnen auf die über ihnen kreisenden Helikopter feuern. In einem anderen Video ist ein brennendes Gebäude zu sehen, während Gewehrsalven und in einer Moschee vorgetragene Koranverse zu hören sind.
Flucht vor dem Bombardement
Tausende sind in den vergangenen Tagen aus der einst lebendigen Wirtschaftsmetropole geflohen. Für die in Aleppo verbliebenen Zivilisten wird die Lage indes immer bedrohlicher. Es gibt keinen Strom und auch kein Wasser mehr, die Lebensmittel werden knapp. «Tausende Menschen fliehen vor dem Bombardement durch die Strassen. Sie werden von Helikoptern terrorisiert, die in niedriger Höhe fliegen», berichtet ein Aktivist namens Amer. Die meisten Zivilisten suchten Schutz in Kellern, Schulen oder öffentlichen Parks ausserhalb der Kampfzone. «Sie kommen nicht mehr raus aus der Stadt», sagt Amer via Skype.
Die Gefechte um Aleppo werden von Assad als womöglich entscheidend betrachtet. Regierungstreue Medien sprechen von der «Mutter aller Schlachten». Die Zeitung al-Watan schreibt: «Aleppo wird die letzte Schlacht der syrischen Armee sein, um die Terroristen zu schlagen.»
Weltweite Besorgnis
Weltweit forderten Politiker ein Ende der Offensive in Aleppo, so auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. Die USA und Grossbritannien warnten vor einem Massaker. Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan forderte die Weltgemeinschaft auf, nicht länger «Zuschauer oder Beobachter» zu bleiben.
Russland, das sich im UNO-Sicherheitsrat Sanktionen gegen das Regime von Baschar al-Assad verweigerte, warnte vor einer «Tragödie». Aussenminister Sergej Lawrow sagte, seine Regierung versuche, die syrische Führung davon zu überzeugen, den Aufständischen ein Entgegenkommen zu signalisieren.
Wenn aber die Aufständischen Städte wie Aleppo besetzten, sei es nicht realistisch, dass Damaskus dies hinnehme. Lawrow warf dem Westen und «einigen syrischen Nachbarn» vor, den Kampf gegen Damaskus «zu unterstützen und zu lenken».
20'000 Tote
Assad lässt die im März 2011 begonnene Revolte blutig niederschlagen. Gemäss der Opposition wurden bereits über 20'000 Menschen getötet.
Rund 14'000 Todesopfer seien Zivilisten, mehr als 5000 Soldaten, Polizisten oder regimetreue Milizen und knapp 1000 Deserteure, erklärte die Beobachtungsstelle in London. Unter Zivilisten versteht sie auch bewaffnete Kämpfer, die keine Soldaten waren. Die Zahlen lassen sich nicht überprüfen, da die UNO aufgehört hat, die Opfer zu zählen.
AFP/sda/dapd/wid
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