Die Linke übernimmt in der Finanz- und Steuerpolitik das Zepter
SP und Grüne präsidieren erstmals die Finanz- und die Wirtschaftskommission im Zürcher Kantonsrat. Warum dies den Bürgerlichen trotzdem nicht weh tut.
Die Bezeichnung könnte nicht langweiliger tönen: vorberatende Kommission des Kantonsparlaments. Doch genau da spielt die Musik. Weil die Kommissionssitzungen geheim und die Protokolle ebenfalls nicht öffentlich sind, darf frank und frei politisiert werden. Die Politikerinnen und Politiker dürfen blöde Fragen stellen, ohne sich eine Blösse zu geben. Sie dürfen ihre Meinungen ändern, ohne dafür medial gemassregelt zu werden. Sie dürfen gescheiter werden, Kompromisse schmieden, Deals abschliessen. Dort fallen die Entscheide.
In den öffentlichen Ratsdebatten folgt die publikumswirksame Kür – die aber selten zu einem Umschwung führt. Die Meinungen sind gemacht.
Deshalb ist wichtig, wie diese zwölf Kommissionen zusammengesetzt sind und wer sie präsidiert. Diese Entscheide wurden kürzlich in der sogenannten Interfraktionellen Konferenz gefällt, in der alle Parteien vertreten sind. Es ist das Resultat eines Seilziehens, Taktik spielt eine grosse Rolle. Auch zeigt sich anhand der Präsidien und Besetzungen, wo die Parteien in der kommenden, vierjährigen Legislatur ihre Schwerpunkte setzen wollen.
Die SVP verliert ein Präsidium
Gemäss dem Verteilschlüssel durfte zuerst als grösste Partei die SVP auswählen, welches Präsidium sie übernehmen möchte. Dann war die SP an der Reihe, dann die FDP, darauf wieder die SVP, dann die GLP, die Grünen und wieder die SP. Es geht so weiter, bis am Ende die CVP und die EVP die zwei übrigbleibenden Präsidien übernehmen durften. Unter dem Strich verliert die SVP nach ihrer Wahlniederlage ein Präsidium an die GLP. Das Proporzpech sorgte dafür, dass die Grünen bei einem Präsidium bleiben.
Eingeschränkt wurde die Wahl allerdings dadurch, dass eine Partei ein Kommissionspräsidium nicht mehr als zwei Mal hintereinander besetzen darf. So musste die SP die Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt (Kevu) – eine Schlüsselkommission – abgeben. Auch musste die SVP die ebenfalls sehr wichtigen und beliebten Kommissionen für Planung und Bau (KPB) sowie Wirtschaft und Arbeit (WAK) an die Konkurrenz weitergeben.
SVP will im Sozialen steuern
- Die SVP also schnappte sich als erstes die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit: Präsident wird der 28 Jahre junge Benjamin Fischer. Das erstaunt auf den ersten Blick, da dieses Gremium nicht als besonders sexy gilt. Doch das täuscht: Die SVP wollte die Kommission nicht der SP überlassen und ist offensichtlich bestrebt, im Sozialbereich ihren Einfluss geltend zu machen. Auch will sie die Gesundheitsthemen prägen – ein Vorbote, dass die neugewählte SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli die Gesundheitsdirektion übernimmt? Die Verteilung der Direktionen wird am Montag publik.
- Die SP wählte als erstes die Baukommission KPB aus, die künftig von Andrew Katumba geführt wird. Dort wollen die Sozialdemokraten Investitionen in energetische Gebäudesanierungen forcieren, nur wenige Strassen bauen und wenn schon fürs Velo. Die Crux: In der Kommission haben SVP, FDP und CVP die Mehrheit. Katumba kann also nicht viel ausrichten gegen den Willen der Bürgerlichen.
- Die FDP schnappte sich mit Präsident Alex Gantner die Grosskommission Kevu. Die Freisinnigen wollen die Verkehrs- und Umweltpolitik nicht der Linken überlassen und in der Klimafrage Verantwortung übernehmen. Das ist gewiss im Sinne der nationalen FDP-Präsidentin Petra Gössi, die ihre Partei auf die Klimawelle hieven will. Gantner wird allerdings auch die von der FDP geforderte Entmachtung der Städte Zürich und Winterthur in Strassenbelangen zu Grabe tragen müssen: In der Kevu haben die Umweltparteien SP, GLP, Grüne und EVP die Mehrheit. Ist das gleichzeitig eine gute Basis für den Grünen Martin Neukom, der als neuer Regierungsrat gerne Baudirektor und damit Energie- und Umweltminister würde?
- Die SVP übernahm als zweite die Kommission für Staat und Gemeinden. Präsident Stefan Schmid soll wohl dafür sorgen, dass Innenministerin Jacqueline Fehr (SP) nicht zu viel Soziallastenausgleich durchbringt. Allerdings hat diese Kommission diesbezüglich vor Kurzem einen Pflock eingeschlagen: So soll der Kanton die sozial belasteten Städte mit rund 200 Millionen Franken mehr zugunsten der Ergänzungsleistungen unterstützen.
- Die Kommission für Bildung und Kultur hat mit Lehrer Christoph Ziegler die GLP übernommen. In der Bildung ist eher Konsolidierung als neue Reformitis angesagt.
- Dass die Wirtschaftskommission WAK an die Grünen geht, ist wiederum eine kleine Sensation, da sie bisher vor allem SVP-Terrain war. In dieser Kommission werden die Steuergesetze gemacht. Präsident Beat Bloch (Grüne/CSP) wird allerdings nicht immer auf die GLP zählen können, die in dieser Kommission das Zünglein an der Waage ist und finanzpolitisch bisher bürgerlich tickte. Gefordert wird Bloch, falls die Schweizer Stimmberechtigten am 19. Mai die AHV/Steuer-Vorlage befürworten und die Zürcher im September die kantonale Umsetzungsvorlage bachab schicken.
- Die zweite Sensation ist die Eroberung der Finanzkommission durch die SP. Die Fiko war in den letzten 20 Jahren bürgerliches Hoheitsgebiet. Sie bearbeitet das 15-Milliarden-Budget und formuliert den Antrag für den kantonalen Steuerfuss – im Dezember sollen die Steuern gemäss Antrag des Regierungsrats um 2 Prozent sinken. In der elfköpfigen Fiko sitzen aber sechs Bürgerliche sowie zwei Grünliberale. Es wird spannend, wie die neue Fiko-Präsidentin Céline Widmer (SP), welche beruflich im Stab der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) arbeitet, die Situation meistern wird.
Neuling präsidiert Unispital-Aufsicht
Bei den übrigen fünf Kommissionen gab es keine Überraschungen mehr, aber dennoch Auffälligkeiten. So übernahm die SVP mit André Bender jene Kommission, welche die ZKB und die EKZ überwacht. Dafür überliess die Volkspartei der FDP die Geschäftsprüfungskommission (Präsident: Beat Habegger).
Bemerkenswert ist auch die Situation in jener Kommission, welche die Universität, die Fachhochschulen, das Unispital und das Kantonsspital Winterthur beaufsichtigt: Präsidentin Katrin Cometta (GLP) ist ebenso ein Ratsneuling wie die klare Mehrheit der Kommissionsmitglieder.
Landmann beaufsichtigt Gerichte
Ebenfalls speziell: In der von Jean-Philippe Pinto (CVP) präsidierten Justizkommission, welche die Gerichte beaufsichtigt, sitzt auch Milieuanwalt Valentin Landmann (SVP). Die Kommission, welche die entsprechenden Gesetze macht, die Kommission für Justiz und öffentliche Sicherheit, hat als neuen Präsidenten Tobias Mani (EVP).
Pinto, Mani und Bloch sind eine Art Profi-Präsidenten: Sie waren auch in der vergangenen Legislatur die einzigen Kommissionspräsidenten ihrer Fraktionen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch