Die Lüge von der friedlichen Scheidung
Nie wurde so viel geschieden wie heute, das Business mit Scheidungsplaner und Trennungspartys boomt. Warum eine friedliche Trennung in gegenseitigem Respekt dennoch selten gelingt.
Sie waren das Posterpaar einer neuen Scheidungsmentalität: Heidi Klum und Seal. Anfang des Jahres gaben die beiden bekannt, dass sie sich nach sieben Jahren Ehe trennen würden und schoben vorauseilend hinterher: «Wir hatten während der gesamten Beziehung den grössten Respekt voreinander und lieben uns auch weiterhin sehr, haben uns aber auseinandergelebt.»
Beruf Scheidungsplaner
Das tönt vernünftig und tröstlich, doch scheint auch die Scheidung von Klum und Seal weniger friedlich zu verlaufen, als sie es gerne hätten. Seal deutete vergangene Woche gegenüber verschiedenen Medien an, Klum habe ihn mit ihrem Bodyguard betrogen. Sie wies die Vorwürfe diese Woche zurück und erwiderte, es sei typisch für Seal, dass er so etwas behaupte.
Ehen werden heute nicht mehr für die Ewigkeit gemacht, das ist allgemein bekannt. Wenn der Lebensabschnitt mit einem bestimmten Partner zu Ende geht, soll das deshalb heute auch keine grosse Katastrophe mehr sein. Das zumindest ist der Wunsch vieler, der neue Nischen geschaffen hat. In den USA und in Japan boomt zum Beispiel der Beruf des Scheidungsplaners, welcher analog zum Wedding Planer Scheidungen samt Scheidungspartys organisiert – samt Tischdekoration und Musikauswahl. Dahinter steht die Idee, dass der Tag der Scheidung für die Betroffenen eine ähnliche Zäsur markiert wie der Hochzeitstag und deshalb auch rituell begangen werden soll. Da werden dann also Partys geschmissen, bei denen die ehemaligen Eheleute mit der Vergangenheit abschliessen und sich auf die neue Zukunft einstellen sollen. Die Betroffenen möchten damit ihren gesellschaftlichen Status als Junggesellen zelebrieren.
Kein gesellschaftliches Stigma
Niemand soll sich heute mehr dafür schämen müssen, dass die Ehe gescheitert ist, so die Botschaft dahinter. Täglich werden wir von neuen Trennungsmeldungen aus dem Reich der Prominenten versorgt, was natürlich ein besonders unterhaltsames Genre ist. Vor Gott und Amor sind wir alle gleich. Aber heisst das nun auch, dass eine Scheidung heute weniger schmerzhaft ist, vielleicht sogar in Minne und gegenseitigem Einverständnis ablaufen kann?
Kathrin Widmer von der Leitung Paartherapie am psychotherapeutischen Zentrum der Uni Zürich sieht das eher kritisch. «Wenn ein Paar sich wirklich geliebt hat, dann ist eine Trennung in Minne und in gegenseitigem Respekt eher schwierig. Eine friedliche Trennung ist zwar prinzipiell nicht unmöglich, erfordert aber von beiden eine sehr grosse kommunikative Leistung.» Besonders schwierig ist es, wenn Kinder im Spiel sind. Hier muss das Paar zwischen seiner Rolle als Eltern und als Liebespaar trennen. Wenn die eigenen Verletzungen nicht verarbeitet wurden, dann ist das fast unmöglich.
Zwar gehört es noch immer zu den am häufigsten genannten Trennungsgründen, man habe sich auseinandergelebt. Doch der dahinterstehende Prozess ist alles andere als ein friedliches Auseinanderdriften, erklärt Widmer. «Dazu gehören Verletzungen und Enttäuschungen, die schliesslich zur Erkaltung der Liebe führen können.»
Das gesellschaftliche Stigma der Scheidung sei zwar heute tatsächlich weniger gross als noch vor einigen Jahrzehnten, sagt Widmer. Aber für die meisten Menschen bedeutet eine Scheidung nach wie vor ein persönliches Scheitern. Zu den Enttäuschungen, die man in der Liebesbeziehung erlebte, kommt die Enttäuschung, es nicht geschafft zu haben. «Liebesgefühle sind nicht einfach ein Mehr an freundschaftlichen Gefühlen, und Liebe wünscht sich immer eine langfristige Bindung.»
Eine Scheidung ohne Trennungsschmerz ist also nicht zu haben. Wohl aber kann man versuchen, möglichst wenig Geschirr zu Bruch gehen zu lassen.
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