Italienische FluggesellschaftDie Lufthansa ist wieder voll im Rennen um die Krisen-Airline ITA
Die deutsche Swiss-Mutter war schon raus aus dem Verkaufsprozess. Jetzt deutet vieles darauf hin, dass sie doch den Zuschlag bekommt. Gräbt sie der Swiss Passagiere ab?

Die kurze Geschichte der neuen italienischen Fluggesellschaft ITA Airways ist bereits voller Dramen. Seit sie im vergangenen Jahr als Nachfolgerin der legendär defizitären Alitalia zu fliegen begann, gab es milliardenschwere Flugzeugkäufe, Hunderte Millionen Franken an Anlaufverlusten und eine spektakulär gescheiterte Privatisierung. Es läuft alles schon wieder auf die nächste Krise zu, denn ITA braucht, da sind sich fast alle einig, einen finanzkräftigen Partner.
In der neuesten Wendung sieht es nun so aus, als wäre ein möglicher Verkauf des Unternehmens an den deutschen Lufthansa-Konzern, zu dem auch Swiss und Edelweiss gehören, als Investor wieder möglich. Dem Vernehmen nach ist der Konzern längst dran, die ITA-Bücher zu prüfen, und befindet sich auf der Suche nach einem Partner.
Bei diesem könnte es sich nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» um die staatliche Eisenbahngesellschaft Ferrovie dello Stato (FS) handeln. Die Lufthansa würde demnach 51 Prozent übernehmen, FS weitere 29 Prozent, der italienische Staat bliebe mit 20 Prozent beteiligt. Zunächst hatte darüber der «Corriere della Sera» berichtet.
Italien ist ein wichtiger Markt
Die Lufthansa äussert sich nicht offiziell zu dem Thema, aber das starke Interesse an ITA ist verbürgt. Schon vor 15 Jahren wäre sie beinahe bei der damaligen Alitalia eingestiegen. Der Grund für das Interesse ist klar: Italien ist nach den USA der wichtigste ausländische Markt für den Airline-Konzern, was also läge näher, als dort auch eine eigene Airline zu betreiben?
Doch die Sache ist komplizierter. Wegen der Schwäche von Alitalia und später ITA haben sich mittlerweile die Billigfluggesellschaften in Italien etabliert, allen voran Ryanair. Die irische Fluglinie hat derzeit einen Marktanteil von mehr als 30 Prozent in Italien, die Ticketpreise sind entsprechend niedrig. Die Lufthansa könnte mit ITA im Europaverkehr also kaum etwas gewinnen, auch wenn sie bereit wäre, gross in eine neue Flotte zu investieren und sich anschliessend auf den Kampf mit Ryanair einzulassen. Auf der Langstrecke, die potenziell lukrativer ist, spielt ITA kaum eine Rolle, sie müsste sich gegen massive Konkurrenz der amerikanischen Anbieter oder auch der Golf-Airlines behaupten.
Das Verfahren um die ITA-Privatisierung war schon bislang turbulent. Zuletzt überschlugen sich die Ereignisse.
Und schliesslich würde die Lufthansa sich indirekt selbst schwächen: Zusammen mit ihrer Regionaltochter Air Dolomiti zieht sie Umsteiger aus Italien auf ihre Drehkreuze in Frankfurt und München und füllt dort die Grossraumjets. Auch die Swiss – beziehungsweise zurzeit vor allem Helvetic und Air Baltic in deren Auftrag – fliegt mehrmals täglich zwischen Italien und der Schweiz hin und her und alimentiert so ihren Interkontinentalverkehr.
Wenn ITA selbst eine Langstreckenflotte im Konzern aufbauen würde, würden diese Passagiere mehr und mehr fehlen. Schon jetzt bietet der Konzern von einer Reihe von Drehkreuzen (Frankfurt, München, Brüssel, Wien und Zürich, in der Schweiz in geringem Umfang zudem von Genf aus) aus Fernreisen an.
Das Verfahren um die ITA-Privatisierung war schon bislang turbulent. In der ersten Runde standen sich am Ende ein gemeinsames Angebot der Lufthansa und der Reederei MSC sowie der US-Finanzinvestor Certares gegenüber. Kurz vor ihrem Ende gab die Regierung des ehemaligen Ministerpräsidenten Mario Draghi Certares den Vorzug, auch weil die Lufthansa auf möglichst wenig Staatseinfluss bestand, die Amerikaner das Thema aber nicht so eng sahen. Certares liess aber die Fristen für die Exklusivverhandlungen verstreichen – die neue Regierung unter Georgia Meloni stand mit leeren Händen da.
Zuletzt überschlugen sich die Ereignisse: Obwohl sie im Wahlkampf noch das Gegenteil behauptet hatte, ist Meloni nun offenbar für den Verkauf – das Problem ITA sollen andere lösen. Gleichzeitig aber hatte auch MSC-Gründer Gianluigi Aponte genug von dem Theater und zog sich zurück, ebenso wie Certares.
Bleibt die Lufthansa, vielleicht mit der Bahngesellschaft, vielleicht ohne – laut der «Süddeutschen Zeitung» gibt es noch keine Einigung. Was den Kaufpreis angeht, wäre die Sache gut gelaufen: Angeblich soll die Lufthansa umgerechnet nur noch rund 250 Millionen Franken für 51 Prozent zahlen, das wäre etwa die Hälfte des ursprünglichen Kaufpreises.
Mitarbeit: Konrad Staehelin
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