Die Macht der Mächtigen
Jene, welche die Macht haben, wollen sich nicht in die Suppe spucken lassen. Die Abschaffung des konstruktiven Referendums ist ein demokratischer Sündenfall.
Am Anfang stand die Idee des umtriebigen SVP-Kantonsrats Claudio Zanetti. Mit einer Parlamentarischen Initiative wollte er dem jüngsten Spross der Zürcher Demokratie an den Kragen. Zanetti hat mit Einzelanliegen selten Erfolg. Oft handelt es sich um provokative Vorstösse. Seine Anfragen etwa sind oft keine Fragen, sondern Ausrufezeichen.
Zanetti mag ein Lautsprecher sein, aber er ist auch ein Intellektueller und liebt die Debatte. Der Jurist macht sich gerne staatspolitische Gedanken und weicht mitunter von der Parteilinie ab. So lehnte er die Minarettinitiative ab und war für die freie Schulwahl.
Der böse Bube sollte es richten
Dass er mit seiner Radikallösung zum konstruktiven Referendum im Parlament, aber vor allem auch bei der Regierung auf Zustimmung stiess, hat wohl niemanden mehr erstaunt als ihn – schliesslich kritisiert er die beiden Institutionen ansonsten mit grosser Leidenschaft. Nun ist es aber heikel, die Volksrechte anzugreifen. Gerade in der SVP, die sich so gerne aufs Volk beruft. Zudem hatte keine Partei sich öfter des konstruktiven Referendums bedient: Zwei Mal von acht ergriff es die Mutterpartei, einmal die Jungmannschaft.
Die SVP und die anderen bürgerlichen Parteien überliessen deshalb das Feld ganz dem bösen Buben Zanetti und engagierten sich sonst nicht. Zanetti schlug sich tapfer, doch hatte man zuweilen das Gefühl, dass er sich lieber mit einem anderen Thema profilieren würde.
Störung unerwünscht
Das Resultat jedenfalls ist enttäuschend. Ohne Not hat das Zürchervolk Zanetti zugestimmt und eine demokratische Errungenschaft versenkt. Es ist wohl etwas arglos dem Bürgerblock gefolgt, der im Kanton Zürich die Macht hat und möglichst störungsfrei weiterregieren will. Neben der SVP waren die FDP, die CVP und die BDP für die Abschaffung.
Drei Aussagen an diesem Abstimmungssonntag lassen aber aufhorchen. So sagte der grüne Justizminister Martin Graf, dass das konstruktive Referendum «die gesetzgebende Gewalt des Parlaments unterwanderte». Mit diesem Argument vom hohen Ross müsste man sofort die Volksinitiative sowie das «normale» Referendum abschaffen. Das Volk kann das Parlament nicht «unterwandern». Im Schweizer Politsystem hat das Volk auch dann noch ein Mitbestimmungsrecht, wenn die Wahlen vorbei sind und sich die Volksvertreter an die Arbeit gemacht haben. Dieses Korrektiv ist gewollt und zu verteidigen.
Abgeschwächter Minoritätenschutz
Dann sagte Regierungsrat Graf abschätzig, das konstruktive Referendum sei zu einer «Plattform für Minoritäten» geworden. Das enttäuscht aus dem Munde eines (minoritären) Grünen. Die Schweiz rühmt sich und fährt gut damit, Minderheiten zu schützen. Abgesehen davon waren diese Minoritäten Oberärzte, Südschneiser und die Gewerkschaft VPOD. Und keine dubiosen Störenfriede. Alle hatten das verfassungsmässige Recht, einen Gegenvorschlag zu einem Parlamentsbeschluss zu formulieren. Das Stimmvolk konnte das «minoritäre» Anliegen immer noch bachab schicken, wenn es wollte. Wichtig ist in der Demokratie die politische Debatte. Diese wurde nun ein Stück weit abgewürgt.
Aufgefallen ist auch die Aussage von Zanetti, die Abschaffung des konstruktiven Referendums sei ein Sieg der Parteien gewesen. Auch wenn man ausser Acht lässt, dass fünf von acht Gegenvorschlägen von Parteien formuliert wurden, stört das Statement. Denn so wie der Staat für die Bürger da ist und nicht umgekehrt, sind die Parteien für die Demokratie da und nicht vice versa.
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