Die Mehrheit der Deutschen steht hinter Wulff
Kurz nach dem grossen TV-Interview gerät Christian Wulff erneut in Erklärungsnot. Der Bundespräsident erlaubte der «Bild» nicht, seine Aussagen zu drucken. Die Deutschen geben ihm trotzdem eine zweite Chance.
In einem vom Bundespräsidialamt veröffentlichten Schreiben an Diekmann schrieb Wulff, er wolle es bei seiner Entschuldigung belassen.
«Sie haben diese Entschuldigung dankenswerterweise angenommen. Damit war die Sache zwischen uns erledigt. Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben», schrieb er. «Die in einer aussergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte waren ausschliesslich für Sie und für sonst niemanden bestimmt.»
Mit Verwunderung zur Kenntnis genommen
Wulff hatte am Mittwochabend in einem Fernseh-Interview von ARD und ZDF gesagt, er habe mit seinem Anruf eine Berichterstattung nur verschieben wollen. Nach Darstellung der grössten Tageszeitung Europas hat Wulff jedoch verhindern wollen, dass die «Bild» über seinen privaten Hauskredit im Wert von einer halben Million Euro berichtet. «Bild» hatte dies vor drei Wochen zuerst berichtet.
Am Donnerstag erklärte die «Bild»-Chefredaktion zunächst, man habe «mit Verwunderung» die Aussage Wulffs im Fernsehen «zur Kenntnis genommen». Sie bitte den Bundespräsidenten nun darum, die Äusserungen auf der Mailbox von Diekmann verbreiten zu dürfen.
Pressefreiheit oder Persönlichkeitsrecht?
Das anschliessende Nein Wulffs zur Veröffentlichung bedauerte «Bild». «Damit können die im Zusammenhang mit dem Fernseh-Interview des Bundespräsidenten entstandenen Unstimmigkeiten, was das Ziel seines Anrufes angeht, nicht im Sinne der von ihm versprochenen Transparenz aufgeklärt werden», schrieb die Chefredaktion. Sie werde aber auf eine Veröffentlichung verzichten.
Das deutsche Verfassungsrecht schützt grundsätzlich das gesprochene Wort. Wenn Äusserungen von öffentlichem Interesse sind, könnte die Pressefreiheit aber schwerer als das Persönlichkeitsrecht wiegen.
Regierung steht offiziell hinter Wulff
Knapp 11,5 Millionen Zuschauer hatten am Mittwochabend das Fernseh-Interview von Wulff gesehen. In der schwarz-gelben Regierung wurde der Auftritt offiziell positiv aufgenommen. CSU, CDU und FDP- Chef Philipp Rösler stellten sich öffentlich hinter Wulff.
So zeigte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sich zuversichtlich, dass Wulff mit seinem Auftritt «erfolgreich Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen wird». Auf eine Stellungnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wartete die Öffentlichkeit aber bislang vergeblich.
Hinter vorgehaltener Hand wurde in Regierungskreisen die Sorge über den Widerspruch zwischen den Darstellungen geäussert. Aus der FDP hiess es, in der Führung herrsche Entsetzen.
Die SPD rief Merkel zum Einschreiten auf. Wenn Merkel ein Interesse habe, «dieses scheinheilige Schauspiel zu beenden», solle sie ihn zu einer Veröffentlichung bewegen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann.
Wulff: keine Verletzung des Minstergesetzes
Wulffs Anwälte veröffentlichten am Donnerstag eine «zusammenfassende Stellungnahme» zu hunderten Medienanfragen in der Kreditaffäre. Sie ergänzten eine «rechtliche Bewertung», wonach kein Verstoss gegen das niedersächsische Ministergesetz vorliege.
Gemäss den Anwälten standen weder der Privatkredit noch die diversen Ferienreisen mit den Amtspflichten Wulffs als Ministerpräsident in Zusammenhang. Auch für steuerrechtliche Verstösse gebe es keine Anhaltspunkte.
Wulff war wegen seines Kredits für sein Privathaus von der Unternehmergattin Edith Geerkens in die Kritik geraten. Später hatte er diesen durch ein Bankdarlehen abgelöst.
Mehrheit für eine zweite Chance
Dem Präsidenten wird vorgeworfen, er habe die Umstände der Kreditaufnahme verschwiegen. Im Interview räumte er Fehler und Versäumnisse ein. So sei der Drohanruf bei «ein schwerer Fehler» gewesen. Den Vorwurf, er informiere nur per Salami-Taktik, wies Wulff zurück. Einen Rücktritt lehnte er ab.
61 Prozent der Deutschen überzeugte Wulff laut einer Umfrage von ARD-Deutschlandtrend im Interview nicht; nur 30 Prozent fanden ihn gemäss der am Donnerstag durchgeführten Umfrage überzeugend. Dennoch waren 60 Prozent der Befragten der Meinung, dass Wulff eine zweite Chance verdient habe. 36 Prozent teilen diese Ansicht nicht.
56 Prozent wollten, dass Wulff im Amt bleibt - neun Punkte mehr als am Mittwoch vor dem Interview. Dagegen waren 41 Prozent der Befragten der Meinung, dass Wulff zurücktreten solle.
dapd/wid
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