«Die Menschen haben Angst, dass regierungstreue Kräfte ihr Haus stürmen»
Machthaber al-Ghadhafi geht in Libyen mit Gewalt gegen die Proteste vor. Mindestens 84 Menschen fielen den Strassenkämpfen zum Opfer. Bei einer Trauerfeier sollen Scharfschützen auf Menschen geschossen haben.

Bei einer Trauerfeier für 35 getötete Gegner des libyschen Staatschefs Muammar al- Ghaddafi haben Scharfschützen das Feuer auf die Menge eröffnet und dabei nach Krankenhausangaben mindestens einen Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Die Schützen hätten vom Dach der Zentrale der Sicherheitskräfte aus geschossen, sagte ein Informant, der namentlich nicht genannt werden wollte. Am frühen Samstagmorgen hatten Spezialkräfte ein Zeltlager der Protestierenden auf demselben Platz zerstört.
Wenige Stunden nach der Räumung des Platzes zogen sich alle Polizeikräfte aus den Strassen der zweitgrössten Stadt Libyens zurückgezogen. Die Bewohner organisierten daraufhin Bürgerwehren, um sich zu schützen.
Regime kappt Internetverbindung
Das Regime unterbrach unterdessen den gesamten Internetverkehr im Land, um weitere Protestaktionen zu erschweren. Die Zahl der Toten bei den seit drei Tagen anhaltenden Protesten gegen Präsident Muammar al Ghadhafi liegt nach Angaben von Menschenrechtlern bei 84.
«Wir sehen keinen einzigen Polizisten in den Strassen, nicht einmal Verkehrspolizisten», sagte ein Anwalt in Bengasi. Die Menschen hätten nun Angst, dass nach der Räumung des Zeltlagers regierungstreue Kräfte ein Haus nach dem anderen stürmen könnten. «Die Einwohner haben Bürgerwehren zum Schutz ihrer Häuser und Viertel gegründet», sagte der Anwalt, der aus Angst vor Repressionen anonym bleiben wollte.
Mehrere Aktivisten seien bereits von den Sicherheitskräften festgenommen worden, sagte der in der Schweiz lebende libysche Oppositionelle Fathi al Warfali. Darunter sei auch Abdel Hafes Gugha, einer der Organisatoren der Proteste. Sicherheitskräfte hätten nachts sein Haus gestürmt und ihn festgenommen.
Mit Tränengas gegen Anwälte und Richter
Gegen 5.00 Uhr am Samstagmorgen griffen Sicherheitskräfte Augenzeugenberichten zufolge das Zeltlager an, in dem mehrere Hundert Demonstranten - unter ihnen auch Richter und Anwälte - seit zwei Tagen ausgeharrt hatten. «Sie sind mit Tränengas gegen die Menschen in den Zelten vorgegangen und haben das gesamte Gelände geräumt. Viele haben auf der Flucht noch Tote oder Verletzte getragen», sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur AP. Bengasi gleiche einer Geisterstadt. Viele hätten Angst, dass noch «etwas Grosses» passiere.
Unbestätigten Angaben zufolge sind Angehörige einer Eliteeinheit der libyschen Streitkräfte in Bengasi sowie anderen Städten im Osten des Landes eingerückt. Die Mitglieder der sogenannten Chamis-Brigade unter Leitung von Gaddafis jüngstem Sohn seien zudem von ausländischen Söldnern begleitet worden.
Die Stimmung in Bengasi wurde von Beobachtern als äusserst angespannt bezeichnet. In der Nacht sollen Demonstranten Polizeistationen und Regierungsgebäude in Brand gesetzt und einen lokalen Radiosender besetzt haben.
Unter Berufung auf Angaben aus mehreren Krankenhäusern berichtete die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dass die Zahl der Toten sich auf mindestens 84 erhöht habe. Ärzte aus Bengasi berichteten, allein am Freitag seien nach den Angriffen der Sicherheitskräfte 35 Tote ins Krankenhaus gebracht worden.
dapd/sda/mrs
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