Die Ministrafe, die den Riesen aus China zittern lässt
Der chinesische Mischkonzern HNA steht wegen der Übernahme der Gategroup im Visier der Schweizer Justiz. Das weltweite Misstrauen gegenüber dem undurchsichtigen Riesen wächst.
50'000 Franken. Die Gebühr, die der chinesische Mischkonzern HNA den Schweizer Behörden nachzahlen muss, ist vernachlässigbar klein. Die Verfügung der Übernahmekommission (UEK) sorgt derzeit aber international für grosses Aufsehen. Demnach soll die HNA-Gruppe beim Kauf des Schweizer Flugcaterers Gategroup «unvollständige» und «teils falsche» Angaben gemacht haben.
Vor der Gategroup-Übernahme im Mai 2016 gab HNA an, das chinesische Unternehmen gehöre zu 70,25 Prozent den Mitarbeitern respektive der HNA-Gewerkschaft und der Cihang-Stiftung. 29,75 Prozent gehörten dem Chinesen Jun Guan und dem US-Amerikaner Bharat Bhisé, hiess es. Im vergangenen Juli präsentierte sich HNA jedoch mit einer komplett anderen Eigentümerstruktur. Die Übernahmekommission gelangte darauf nochmals an die Chinesen.
Nach zweimaliger Fristerstreckung gab HNA den Schweizer Behörden bekannt, dass Bhisé und Guan ihre Anteile treuhänderisch für die Co-Gründer gehalten hätten. Auch das Konstrukt mit den Mitarbeitern sei nicht korrekt gewesen, kam die UEK zum Schluss. Sie geht davon aus, dass sechs Manager mit über 71 Prozent der Anteile den HNA-Konzern beherrschten. Denn bereits 2008 soll vereinbart worden sein, dass die Co-Gründer die Anteile der HNA-Gewerkschaft übernehmen können.
Von Philipp Rösler verwaltet
Chen Feng, der den Konzern nach aussen vertritt, und Wang Jian sollen im Juli je knapp 15 Prozent des Unternehmens besessen haben. Der in der Öffentlichkeit unbekannte Guan Jun wurde kurzzeitig mit einem Aktienanteil von 29,5 Prozent genannt. Seine Aktien wurden jüngst an eine Stiftung überschrieben, wie zu vernehmen war. Die Stiftung hat ihren Sitz in den USA und soll vom ehemaligen deutschen Wirtschaftsminister Philipp Rösler verwaltet werden. «Der rätselhafte Job des Herrn Rösler» titelte die «Süddeutsche Zeitung» Anfang November, als bekannt wurde, dass der 44-Jährige seinen Job beim Weltwirtschaftsforum WEF aufgibt, um für HNA zu arbeiten. Der Zweck der Hainan Cihan Charity Foundation mit Sitz in New York bleibt bis heute unklar.
Da die Übernahme der Gategroup abgeschlossen ist, ändert die Untersuchung nichts mehr am Deal. Für HNA könnte das Ganze aber strafrechtliche Folgen haben. Die Übernahmekommission hat die Strafverfolgungsbehörden und die Finanzmarktaufsicht (Finma) eingeschaltet. Des weiteren wurde das Beratungsunternehmen EY beauftragt zu prüfen, ob beim öffentlichen Kaufangebot an alle Gategroup-Aktionäre der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt wurde.
70 Firmen in drei Jahren gekauft
HNA und deren rasante globale Einkaufstour stehen seit Monaten in der Kritik. In der Schweiz haben die Chinesen gleich drei ehemalige Swissair-Tochterfirmen übernommen und sich mit dem Reisedetailhändler Dufry bei einem weiteren Unternehmen aus der Branche eingekauft. Weltweit übernahm der Konzern in knapp drei Jahren rund 70 Firmen. HNA startete 1993 als Airline auf der chinesischen Insel Hainan. Heute gehören Flughäfen, Frachtunternehmen, Reisebüros und Hotels in über 100 Ländern zum Konglomerat.
Mit jeder Milliardenübernahme nimmt das Misstrauen gegenüber den nimmersatten Chinesen zu. Unklar bleibt, wer hinter dem Konzern wirklich steckt und woher das Geld für die Shoppingtour kommt. Aktuell sei in den USA ein HNA-Deal von den Behörden bis auf weiteres gestoppt worden, wie Reuters berichtete. Im Juli hatten mehrere amerikanische Banken reagiert und Neugeschäfte mit HNA abgelehnt. Die Bank of America warnte wegen der Intransparenz und der hohen Verschuldung. Laut Bloomberg belaufen sich die Verpflichtungen der HNA-Gruppe auf 110 Milliarden Dollar. Die Zinslast hat sich innert kurzer Zeit verdoppelt und liegt bei 2,4 Milliarden Dollar.
Vermehrt Widerstand gibts für HNA auch in Deutschland, wo sie sich im Frühling mit knapp 10 Prozent an der Deutschen Bank beteiligte. Die Chinesen wurden dadurch zum grössten Aktionär des Finanzinstituts. Die Europäische Zentralbank prüft, ob sie eine formale Untersuchung der Zuverlässigkeit von HNA einleiten soll. In der deutschen Wirtschaft und in der Politik werden die Stimmen gegen den Aufkauf heimischer Firmen durch Chinesen immer lauter. Die Kritik kommt auch daher, weil China seine Unternehmen rigoros gegen ausländische Übernahmen schützt.
Die Einkäufe chinesischer Firmen im Ausland sind mittlerweile selbst den Herrschern in Peking zu viel geworden. Vor einem Jahr begannen sie, die Übernahmen einzuschränken. So wurden Obergrenzen für Kaufobjekte eingeführt; nur noch in Ausnahmefällen darf im Ausland eine Firma für über eine?Milliarde Dollar eingekauft werden. HNA scheint das nicht zu stoppen. Sie belegte im vergangenen Jahr Platz 170 auf der «Global Fortune 500»-Liste der grössten Unternehmen. Mit den jüngsten Zukäufen sollte es heuer für die Top 100 reichen.
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