Die Müllstadt ist ohne Schweine verloren
In der 18-Millionen-Stadt Kairo fallen jeden Tag 25'000 Tonnen Müll an. Ein kleiner Teil wird von Abfallfirmen abgeholt. Der Rest bleibt auf der Strasse liegen und stinkt zum Himmel. Auch Schweine spielen dabei eine Rolle.

«Mutter der Welt» nennen die Ägypter ihre Hauptstadt Kairo zärtlich. Doch die Liebe der Einwohner zu ihrer Stadt wird getrübt: Denn die Verwaltung der Metropole bekommt das Müll-Problem nicht mehr in den Griff. Auch in den Vierteln der Reichen und Ausländer türmt sich inzwischen der Abfall am Strassenrand.
Ein Grund für die Müll-Krise ist der Konflikt zwischen den vor einigen Jahren angeheuerten grossen Entsorgungsunternehmen und den Familien der Müllsammler, die seit Jahrzehnten von der Müllabfuhr und dem Recycling der Wertstoffe leben.
Die Schweine der Müllsammler
Zugespitzt hat sich die Lage im vergangenen Jahr, als die Regierung auf dem Höhepunkt der Schweinegrippe-Hysterie befahl, die Schweine der Müllsammler zu töten, die bisher einen Grossteil der organischen Abfälle gefressen hatten.
Dass Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) diese Massnahme damals als völlig untauglich zur Bekämpfung der Schweinegrippe einstuften, störte die Regierung in Kairo nicht.
Ziegen sind kein Ersatz
Das unweit der Innenstadt gelegene Viertel der Müllsammler, wo Erwachsene und Kinder in Wohnhäusern Abfall sortieren und recyceln, ist den Behörden schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Angeblich gibt es sogar bereits Pläne, die «Müllmenschen» umzusiedeln.
Ausserdem erntete die Regierung für ihre Entscheidung, die mehr als 150'000 Schweine der christlichen Müllsammler keulen zu lassen, Lob von konservativen Muslimen. Denn das Schwein gilt im Islam als «unreines» Tier.
Die Müllsammler hatten erst versucht, sich gegen den Beschluss der Regierung zu wehren. Doch weil sie keine Lobby haben, verhallten ihre Proteste ungehört.
Einige Familien versuchten, die Schweine durch Ziegen zu ersetzen. Doch Ziegen fressen weniger und sind bei der Auswahl ihrer Kost auch viel wählerischer, so dass immer noch viel Abfall übrigblieb.
Vor Ort sortieren
Schliesslich gingen die Müllsammler dazu über, den Abfall direkt neben den Häusern der Menschen zu sortieren, die ihn produziert haben. Plastik, Glas, Papier und andere Wertstoffe nehmen sie noch mit, den organischen Müll aber lassen sie liegen.
Mit dem Ergebnis, dass es auf den Strassen, vor den Hauseingängen und auf den «Dienstboten»-Treppen der herrschaftlichen Häuser aus der Kolonialzeit nun ziemlich schmutzig ist.
Lediglich dort, wo die Bewohner zusätzlich zu dem von der Behörde mit der Stromrechnung erhobenen Müllgebühren noch ein Bakschisch für den Müllsammler zahlen, sieht es etwas besser aus.
Freiwillige Mülltrennung
Umweltminister Magid George denkt zwar inzwischen über den Bau von Biogas-Anlagen für Haushalts- und Agrarabfälle nach, doch praktische Massnahmen in diese Richtung wurden von der Behörde bisher nicht ergriffen. In einigen Bezirken haben frustrierte Anwohner deshalb Protestaktionen und «Nachbarschafts-Putztage» organisiert.
In Zamalek, einem Viertel, in dem viele wohlhabende Ägypter und Ausländer wohnen, wurde im vergangenen Juni eine Stadtteil-Initiative gegründet, die auf freiwillige Mülltrennung setzt. Dann können die Müllsammler den einen Sack mit den für sie interessanten Materialien mitnehmen und den zweite Sack in den Lastwagen der Müllabfuhr werfen.
sda Anne-Beatrice Clasmann/bru
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