
Ohne den bürgerlichen Politikern zu nahe zu treten: Doch an einem Turnfest waren die wahrscheinlich noch nie. Und wenn, hätten sie beim Seilziehwettbewerb eine erbärmliche Figur gemacht. Man schaue sich nur die Bilder im «SonntagsBlick» an, mit denen Petra Gössi (FDP), Gerhard Pfister (CVP), Albert Rösti (SVP), Jürg Grossen (GLP) und Lorenz Hess (BDP) als «letzte Seilschaft» Werbung für die Unternehmenssteuerreform (USR) III machen. Das beginnt beim lächerlichen Seil (es ist eher eine Schnur), geht über die fächerartige Aufstellung der Politiker (sie ziehen in alle Richtungen . . .) und endet mit der unmöglichen Fuss- und Handstellung von Pfister.
Würde da wirklich jemand Zug auf das Seil geben: das bürgerliche Allstar-Team läge nach einer Sekunde mit dem Gesicht auf dem Boden.
Und, um im Bild zu bleiben, es ist ja schon beträchtlich Zug auf dem Seil. Eine Woche dauert es noch bis zur Abstimmung über die USR III, das Rennen ist verdammt eng, und um den Grad an Verzweiflung der bürgerlichen Reformbefürworter (und die stille Freude der Reformgegner) zu erfühlen, reicht ein Blick in die vereinigten Sonntagszeitungen. Es wird gedroht, gefleht, gebettelt. Alles, um die Abstimmung über die Reform in die richtige Richtung zu lenken. Was alles? Das alles:
Der Schwur
Ob sich die 25 Finanzdirektoren erhoben haben? Die Schwurfinger gespreizt, die Stimme dröhnend? «Weiche, Steuererhöhung!» Es sind die interessanten Details, die die «NZZ am Sonntag» in ihrem Artikel über das «Versprechen» der Kantone auslässt.
Stattdessen darf Charles Juillard, Präsident der kantonalen Finanzdirektoren, eine frohe Kunde verbreiten: «Die Finanzdirektoren aller Kantone haben zugesichert, dass sie die USR III nicht über höhere Steuern für Privatpersonen finanzieren werden.» Den Schwur tätigten die Kantonsvertreter an einer Plenarversammlung von vergangener Woche. Wie die Kantone die Mindereinnahmen sonst kompensieren werden (vielleicht mit Sparprogrammen?), wurde nicht bekannt.
Die Bitte
Seit Wochen bekniet Finanzminister Ueli Maurer (SVP) offenbar Bundespräsidentin Doris Leuthard (CVP). Sie möge sich doch bitte, bitte, bitte an einem nationalen Schlussappell für die Reform beteiligen. «Man hoffte mit dem Appell, den zweifelnden Stimmbürgern jenes Vertrauen in die Reform zu geben, das Maurer nie hatte wecken können», heisst es in der «SonntagsZeitung». Doch Leuthard will ihrem Kollegen, der bisher nicht mit einer Vielzahl von gewonnenen Abstimmungen aufgefallen wäre, nicht helfen. Weil es zu sehr nach einer «Verzweiflungstat» ausgesehen hätte, schreibt die Zeitung über Leuthard, die in Abstimmungen eine recht makellose Bilanz hat. «Bundesratsinsider wollen auch wissen, dass sie nicht mehr recht an den Erfolg glaube und sich deshalb nicht selbst zur grossen Verliererin habe machen wollen.»
Die Drohung
Mit nackten Zahlen operiert Magdalena Martullo-Blocher. Die SVP-Nationalrätin hatte sich in früheren Interviews zum Thema über ominöse Unternehmen geäussert, die nach einem Ja zur Reform sofort in die Schweiz ziehen würden. Welche Firmen das seien, beantwortete die Chefin der EMS-Chemie nicht. Konkreter wird sie nun in einem Gespräch mit der «Schweiz am Sonntag». Mit der neuen Steuerreform würde ihre Firma in Domat/Ems jährlich rund 10 Millionen Franken mehr investieren. Ohne Steuerreform fliesse das Geld in das Ausland. «Asien macht uns sehr attraktive Angebote.»
Chef vs. Chef
Der Streit pro und kontra Unternehmenssteuerreform III zieht auch Gräben durch die Redaktionen der Schweiz. Seit dieser Woche hat die «Blick»-Gruppe mit Christian Dorer einen neuen Chefredaktor. In seinem ersten Kommentar empfahl Dorer den Lesern, «die Katze im Sack zu kaufen, damit die Wirtschaft nicht vor die Hunde geht». Am Sonntag hat sich nun Chefpublizist Frank A. Meyer aus Berlin der Sache angenommen und dem «mächtigen und sprachmächtigen» neuen Chefredaktor seiner Zeitung den Tarif durchgegeben. Meyer empfiehlt, über die Unternehmenssteuerreform «noch einmal zu schlafen».
Die Linken
In all dieser Besorgnis, den «dramatischen Schlussappellen» («Blick») und beginnenden Schuldzuweisungen (gleich in drei Sonntagszeitungen zeigen drei natürlich anonyme bürgerliche «Spitzenpolitiker» mit dem Finger auf die jeweils andere bürgerliche Partei) bleiben die Linken auffällig ruhig. Sie können es sich auch leisten. Dass ihre Gegner eine Woche vor einer der wichtigsten Abstimmungen der gesamten Legislatur derart um Fassung ringen, hätten sie zu Beginn des Referendums wohl kaum für möglich gehalten. Noch sind es sechs Tage bis zur Abstimmung. Tendenz des Paniklevels: zunehmend.
Video – USR-III einfach erklärt:
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Die Nerven liegen blank
Ein flehender Ueli Maurer und Kantone, die rituell von höheren Steuern abschwören: Wie die USR-III-Abstimmung den Puls hochtreibt.