Die neue Mitte im Abseits
Nach dem Sieg der Landschaftsschützer reiben sich vor allem die Grünliberalen die Augen. Dass ihre Nein-Kampagne nicht verfing, stellt jetzt auch schon ein erstes Mal die Mitte-Allianz auf die Probe.

Das Ja zur Zweitwohnungs-Initiative von Umweltschützer Franz Weber ist zuerst einmal eine Überraschung. Es ist aber auch der Ausdruck eines steigenden Unbehagens über die Verhäuselung der alpinen Regionen. Wer sich in den letzten Wochen in den von der Initiative besonders betroffenen Gebieten umhörte, spürte in breiten Bevölkerungskreisen auch Sympathie für dieses Volksbegehren. Viele sehen sich heute mit der Realität konfrontiert, dass die vom Zweitwohnungsbau angetriebene Bodenspekulation das Wohnen in Tourismus-Gemeinden massiv verteuert hat. Das drückt sich jetzt auch in den Abstimmungsresultaten der einzelnen Kantone aus.
Der Tourismuskanton Bern sagt zum Beispiel mit fast 55 Prozent Ja zu diesem Volksbegehren. In Graubünden und im Tessin sind es immerhin noch über 40 Prozent. Das müsste jenen zu denken geben, die in den letzten Wochen der Schweiz weismachen wollten, ohne den Bau von Zweitwohnungen ginge in vielen Bergregionen definitiv der Ofen aus. Viele Bewohner dieser Regionen sehen das offenbar anders. Sie haben genug von den Lippenbekenntnissen der Politik und wollen Taten sehen. Wirklich treu geblieben ist sich eigentlich nur das Wallis, wo die Stimmbürger die Vorlage deutlich ablehnten.
Die Gemeinden behielten ihren grossen Spielraum
Natürlich sind Zweitwohnungen an sich nicht nur etwas Schlechtes. Sie können durchaus auch zur Entwicklung einer Region beitragen, wie selbst Grüne zugeben. Doch wie in anderen Bereichen ist auch hier alles eine Frage des Masses, der Kontrolle und zuletzt der Folgen. Wie oft haben Politiker der betroffenen Regionen in den vergangenen Jahren betont, das Problem sei erkannt, entsprechende Korrekturen bereits eingeleitet. Mit der Revision des Raumplanungsgesetzes im Jahre 2010 wurden den Kantonen zwar tatsächlich gewisse Vorschriften zur Limitierung des Zweitwohnungsbestands gemacht. Die Regelung lässt den Gemeinden jedoch nach wie vor einen grossen Spielraum.
Als indirekter Gegenvorschlag, wie das Bundesrätin Doris Leuthard sah, war diese Revision nicht griffig und vor allem nicht überzeugend genug. In Graubünden, dem Kanton, der die Revision als einer der ersten umsetzte, kam es jedenfalls nicht zu einer drastischen Kurskorrektur. Der Druck der lokalen Baulobby und Tourismuspromotoren ist besonders auf Gemeindeebene viel zu gross. Und es finden sich auf kommunaler Ebene auch immer Schlupflöcher, um neue Regeln zu umgehen. Es ist diese Politik der Schlupflöcher, welcher die Stimmbürger eine Abfuhr erteilten.
Warnung für die Gegner der Landschaftsinitiative
Die Umsetzung dieser Initiative wird jedoch kein Sonntagsspaziergang, das kann man heute schon sagen. Eine gewisse Radikalität sprechen ihr sogar überzeugte Grüne nicht ab. Die Verlierer von heute werden alles daran setzen, um bei der Ausgestaltung der entsprechenden Gesetze Ausnahmeregelungen zu erwirken. Es wird viel Fingerspitzengefühl notwendig sein, die divergierenden Interessen unter einen Hut zu bringen. Das Abstimmungsergebnis dürfte aber auch eine Warnung sein für jene bürgerlichen Kreise, welche meinen, man könne die Landschaftsinitiative, über die wir bald abstimmen werden, mit einem schwammigen Gegenvorschlag zu bodigen.
Diese Niederlage wird aber auch bei der Neuen Mitte mit CVP, BDP und GLP noch viel zu reden geben. Die Grünliberalen, welche bei der Nein-Kampagne den Lead hatten, mussten sich in den letzten Wochen Kritik gefallen lassen, sie täten zu wenig gegen die Zweitwohnungsbau-Initiative. Noch schlimmer: Die drei Kantonalsektionen Graubünden, Bern und Basel fassten die Ja-Parole. Der überraschende Sieg der Landschaftsschützer könnte die fragile Allianz der Mitte auf eine harte Probe stellen.
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