«Die Nummer 1 ist für mich . . . zwar nicht gerade zweitrangig»
Roger Federer erklärt, worauf er sich am Laver-Cup freut und warum die nächsten zwei Wochen für ihn entscheidend sind.

Am Tag vor der Premiere des Laver-Cups erinnert Roger Federer in Prag an ein Kind kurz vor Weihnachten: Er wirkt aufgeregt und froh, dass es bald so weit ist. Noch an keinem Turnier war er so sehr involviert wie an diesem Duell zwischen Europa und dem Rest der Welt, das er mit seinem Manager Tony Godsick lanciert hat. Im Gespräch mit einem Quartett Schweizer Medienvertreter betont er indessen, dass er sich in Prag als Spieler und nicht als Gastgeber und Geschäftsmann sieht.
Wie ist es, plötzlich mit Rafael Nadal im gleichen Team zu stehen?
Das ist ein ganz spezielles Gefühl. Wir sind viel zusammen, essen zusammen mittags und abends. Auch mit den anderen Teamkollegen ist alles anders als gewohnt. Wenn du mit ihnen trainierst, bist du beinahe froh, wenn sie dich schlagen. Denn das heisst, dass sie in Form sind. Man nimmt alles ganz anders wahr als sonst, nimmt viel mehr Rücksicht auf die anderen. Das ist auf der Tour nicht so. Diese Woche in einer Gruppe starker Spieler ist schon sehr cool. Und wenn wir über die Taktik sprechen, merkt man, wie engagiert alle sind, wie sehr sie gewinnen wollen. Das zeigt, dass das Konzept funktioniert.
Vieles deutet darauf hin, dass Sie mit Nadal am Wochenende auch Doppel spielen werden.
Mal schauen, ob Captain Borg uns aufstellt. Aber so einfach würde es für uns nicht. Die Erwartungen wären riesig, und indoor ist ein Break schnell passiert. Zudem sind die anderen ja alles grosse Aufschläger. Aber wir wären bestimmt nicht eingeschüchtert. Auch das Publikum dürfte uns helfen.
Wie erleben Sie Ihr Team?
Das ist wirklich eine sympathische Gruppe, die gut funktioniert. Wir haben vier Routiniers, mit mir, Nadal, Cilic und Berdych, die in ihren Ländern alle Leader sind. Dann sind da noch die Jungen Zverev und Thiem, die sehr entspannt und miteinander gut befreundet sind. Beim Essen und in der Garderobe merkt man, dass alle gut miteinander auskommen. Und von Borg können wir einiges lernen. Ich hoffe, dass er mir noch wertvolle Tipps mitgeben kann.
Was bedeutet Borg für Sie?
Er war für mich früher in einer ähnlichen Kategorie wie Michael Jordan. Ich sah ihn zwar nicht spielen, aber wusste, was er für unseren Sport bedeutet. Bevor ich ihn erstmals traf, war er wie ein Mysterium, obwohl ich dank Peter Lundgren (Federers früherer Coach) über ihn einiges wusste. Er ist etwas Besonderes für mich und steht weit oben in meiner Liste, fast idolmässig.
Weiter oben als John McEnroe, der Captain des gegnerischen Teams?
Ja, wobei ich auch McEnroe super finde. Weil er sehr viel gemacht hat für das Tennis, als Spieler im Einzel und Doppel, aber auch als TV-Kommentator. Ich schaue gerne Tennis, und wenn man so gute Kommentatoren hat, hilft das.

Haben Sie das Gefühl, der Laver-Cup sei Ihr Turnier, da Sie ja zu seinen Schöpfern gehören?
Ich sehe mich nicht als Gastgeber. Aber ich bin glücklich, dass er Tatsache geworden ist. So etwas auf die Beine zu stellen, ist nicht so einfach. Es gab viele Leute, die ihn gar nicht wollten, die andere Ideen hatten oder denken, er laufe gegen die Tennistour. Darum bin ich einfach froh, wie weit wir gekommen sind, dass alle Spieler da sind und sich freuen. Dass das Ganze so gross und schön würde, hatte ich nicht gedacht. Aber warten Sie einmal das Wochenende ab. Es kommt noch viel mehr, als Sie wissen.
Sehen Sie sich in dieser Woche auch ein wenig als Geschäftsmann?
Nein. Tony (Godsick) fragte und fragt mich zwar immer wieder nach meiner Meinung, zu x Details. Und ich gebe ihm auch immer wieder etwas auf den Weg. Deshalb reiste ich auch bereits am Montag an. Aber ich tue das, weil mir der Anlass sehr viel bedeutet. In erster Linie sehe ich mich als Spieler.
Bildstrecke: 2017 - Ein Federer-Jahr
Was halten Sie vom schwarzen Belag? Wie kam es überhaupt dazu?
Das war nicht meine Idee. Die Organisatoren wollten etwas Spezielles, doch die ersten Tests mit dieser Farbe verliefen nicht gut. Für das Fernsehen brauchten sie ein spezielles Schwarz. Es ist etwas gewöhnungsbedürftig für uns Spieler, man benötigt dazu schon zwei, drei Trainings. Aber es sieht gut aus, einfach und stylish. Ich hoffe, dass das auch am Bildschirm gut rüberkommt.
Wie ist es aus Ihrer Sicht überhaupt zum Laver-Cup gekommen?
So genau erinnere ich mich nicht mehr. Aber ich sagte zu Tony oft, die älteren Spieler, die Legenden, würden nicht genug gewürdigt. Und ich bemerkte, dass sie über die Jahre immer weniger oder gar nicht mehr an die Turniere kamen. Ich sagte, ich fände es schön, ein Tennisfest zu organisieren. Dass daraus der Laver-Cup hervorgehen würde, hatte ich nicht kommen sehen.
So funktioniert der Laver-Cup. (Video: Youtube/Laver Cup)
Das Ganze orientiert sich sehr am Ryder-Cup der Golfer. Ihr Wunsch?
Persönlich habe ich den Ryder-Cup nie sehr intensiv verfolgt. Dieser Einfluss kam mehr von Tony und seinem Team. Der Laver-Cup ist für mich wie ein Traum, der wahr geworden ist – dass man die alten Spieler würdigen kann, vor allem natürlich Laver, aber auch Borg und McEnroe, die nun für drei Jahre einen Job haben, in dem sie so viel oder wenig machen können, wie sie wollen. In der Hoffnung, dass sie unsere Generation inspirieren und wir darauf die nächste Generation inspirieren.
In Prag sind ja mehrere Generationen vereint, Spieler von 18 bis 79, nimmt man Laver dazu. War das Absicht?
Das war nicht so geplant, aber es ist schön, dass es so gekommen ist. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft treffen sich. Die Jungen wie Tiafoe, Shapovalov, Thiem, Zverev und Kyrgios werden den Laver-Cup prägen.

Nach dem Aus gegen Del Potro am US Open hatten Sie gesagt, alles tue Ihnen weh. Wie geht es nun, zwei Wochen später?
Dort war ich wirklich total angeschlagen. Mit den Rückenproblemen und den Fünfsätzern geriet ich in einen Strudel, alles schmerzte. Dann kommt etwas Neues dazu, etwas geht wieder weg – ein Kreislauf. Deshalb war ich froh, dass es vorbei war und ich den Körper hinunterfahren konnte. Weil ich wusste, nach einer Woche ohne Matches ist 90 Prozent von allem wieder verschwunden.
Und jetzt haben Sie den Körper schon wieder hochgefahren?
Ich bin daran, crescendo. Dabei tut dir logischerweise am Anfang auch immer einmal wieder etwas weh. Aber ich bin wirklich sehr zufrieden. Ich spiele gut im Training, habe dreimal mit Berdych trainiert, dreimal kam es zum Tiebreak. Natürlich könnte es immer besser gehen. Aber angesichts dieses grossen – oder sagen wir eher: mühsamen – Problems von Montreal bin ich froh, wo ich heute körperlich stehe.
Video: Was kann Roger Federer eigentlich nicht?
Beim Zürcher Match for Africa im April haben wir das Publikum gefragt, wie übermenschlich Roger Federer wirklich ist. Und ihn natürlich auch.
Macht es überhaupt Sinn für Sie, den Laver-Cup zu spielen? Sie haben im Herbst ja immer noch eine kleine Möglichkeit, Nummer 1 zu werden.
Ich denke, dass der Laver-Cup für mich sehr positiv sein könnte im Hinblick auf die Nummer 1, wenn man davon sprechen will. Aber die Nummer 1 ist für mich . . . zwar nicht gerade zweitrangig. Aber dass Rafa punktemässig wieder so weit voraus ist, erlaubt mir, dass ich mich auf meinen eigenen Rhythmus konzentriere und nur spiele, wenn ich auch bereit bin. Die Idee ist, dass ich frühzeitig nach Shanghai fliege, schon am Freitag vor dem Turnier (Start am 9. Oktober) ankomme, obwohl ich erst am Mittwoch spiele. Ich will dort perfekt vorbereitet sein, mein Ziel ist der Titel.
Und danach?
Will ich mich auch auf Basel gut vorbereiten. Das Turnier hat Priorität vor dem Masters-Turnier in Paris-Bercy. Und natürlich will ich auch für London (ATP-Finale) perfekt vorbereitet sein. Dieser Rhythmus ist für mich im Herbst gegeben, Laver-Cup oder Nummer 1 hin oder her. Und ich freue mich, dass ich nächste und übernächste Woche wieder in einen guten Trainingsrhythmus kommen kann. Das war seit Montreal leider nicht der Fall. Zuerst musste ich für New York bereit werden, danach war eine Woche Pause angesagt. Die nächsten zwei Wochen werden extrem wichtig für den weiteren Verlauf der Saison.
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