
In der Rentenpolitik wird oft behauptet, man müsse schwierige Reformen bei der Bevölkerung durchdrücken, die im Grunde gegen jede Veränderung sei. Diesen Ton schlägt auch Nationalrätin Kathrin Bertschy in ihrer Kolumne vom 28. März in dieser Zeitung an. Dabei handelt es sich allerdings nur um eine Ausrede, um Verschlechterungen als alternativlos darzustellen. Doch die Bevölkerung ist nicht dumm, sie will einfach Renten, mit denen man nach dem Arbeitsleben auch leben kann. Genau das ist immer weniger der Fall. Seit Jahren sinken die Renten der Pensionskassen. Das Rentenalter der Frauen wurde erhöht. Teuerung und Prämienschock verstärken das Kaufkraftproblem auch für die Rentner.
Die Ursachen für die zu tiefen Renten liegen auch bei den Löhnen. Ein Viertel der Berufstätigen mit einer Lehre verdient heute weniger als 5000 Franken pro Monat – selbst wenn sie Vollzeit arbeiten. Darunter viele Frauen in anspruchsvollen Jobs mit viel Verantwortung. Andere hingegen haben jede Bodenhaftung verloren. Allen voran die Credit-Suisse-Manager. Sie haben eine ehemals solide Bank kaputt geschäftet – und ihre Unfähigkeit mit zweistelligen Millionensalären vergoldet. Es überrascht nicht, dass die grossen Rentenunterschiede in diesem Kontext für Unmut sorgen und Abbauvorlagen im Gegenwind stehen.
Dass die GLP-Politikerin Bertschy in ihrer Kolumne die jetzige Vorlage als ausgeglichen bezeichnet, widerspricht der Realität.
Es gibt aber eine gute Nachricht. Die AHV kann diese Probleme entschärfen. Denn die Topverdiener zahlen auf ihren Millionensalären voll in die AHV ein. Dieses Geld geht an die Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen. So beteiligen sich die reichsten 10 Prozent an den Renten der Frauen und Männer mit weniger Einkommen. Diese grossen Vorteile der AHV sind viel zu wenig bekannt. Viele meinen, dass die AHV finanzielle Probleme hat. Obwohl sie ein Vermögen von 40 Milliarden Franken besitzt und künftig Jahr für Jahr ungefähr 1,5 Milliarden Überschuss macht. Bundesrat Berset und andere Politikerinnen informieren die Bevölkerung nicht richtig. Und die Banken reden die AHV schlecht, weil sie hier kein Geld verdienen. Dabei würde eine 13. AHV-Rente, die wir Gewerkschaften vorschlagen und über die nächstes Jahr abgestimmt wird, einen gerechten und raschen Beitrag zur Verbesserung der Renten leisten.
Auch für eine Reform der Pensionskassen haben wir Hand geboten: Wir haben mit den Arbeitgebern einen Reformkompromiss ausgehandelt, der die Renten der unteren und mittleren Einkommen – der Frauen und der Teilzeitangestellten – sofort und zu einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis verbessert hätte. Genau diese Verbesserungen haben die GLP und ihre Verbündeten im Parlament gestrichen. Dass die GLP-Politikerin Bertschy in ihrer Kolumne die jetzige Vorlage als ausgeglichen bezeichnet, widerspricht der Realität. Tatsächlich führt sie zu einem weiteren Leistungsabbau für eine Mehrheit der Versicherten. Doch zum Glück ist es in der Schweiz im Gegensatz zu Frankreich möglich, ein solches Vorhaben an der Urne zu stoppen. Denn die Politik soll der Bevölkerung dienen und nicht umgekehrt. Dazu müssen Rentenreformen das Problem der zu tiefen Renten lösen, anstatt es zu verschärfen.
Gabriela Medici, stv. Sekretariatsleiterin Schweizerischer Gewerkschaftsbund und Leiterin Altersvorsorge.
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Gastbeitrag zur Reform der Pensionskassen – Die Politik soll der Bevölkerung dienen – nicht umgekehrt
Die vom Parlament aufgegleiste Reform der Pensionskassen geschieht auf dem Buckel einer Mehrheit der Versicherten. Es ist alles andere als eine ausgewogene Lösung.