Die rote Haarpracht der Neandertaler
Eine bestimmte Variante eines Gens könnte bei einigen Neandertalern zu roten Haaren geführt haben. Dies fand ein Forscherteam mit Hilfe von DNA-Analysen heraus.
Wie sah der Neandertaler aus? Hatte unser prähistorischer Vorfahre vielleicht sehr dichtes, krauses Haar? Dunkle Augen und schön geschwungene, wulstige Lippen? Einen von Wind und Wetter gezeichneten Gesichtsausdruck mit vielen Falten und Runzeln?
Über solche Details lässt sich bisher nur spekulieren. Auf Grund fossiler Knochenfunde des Neandertalers ist aber mittlerweile bekannt, dass er klein, muskulös und eher gedrungen war, eine fliehende Stirn und markante Augenwülste hatte. Nun ist es Experten vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Universität Leipzig zusammen mit Kollegen in Spanien, Italien sowie den USA erstmals gelungen, ein weiteres Puzzlestück zum Erscheinungsbild des Höhlenbewohners hinzuzufügen.
Anhand ihrer DNA-Analysen kommen sie zu dem erstaunlichen Schluss, dass einige Neandertaler vermutlich von Natur aus rote Haare und eine helle Haut hatten. Das berichtet das internationale Forscherteam nun in der aktuellen Ausgabe der amerikanischen Wissenschaftszeitschrift «Science».
Mehr rote Farbpigmente
Vor mehr als 150 Jahren, im Jahr 1856, kamen die ersten Neandertalerknochen zum Vorschein. Um all die Fragen über unsere Vorfahren zu beantworten, war man seither stets darauf angewiesen, in dunklen Höhlen im Dreck der Jahrtausende nach fossilen Überresten des Vormenschen zu suchen, diese dann so gut wie möglich zusammenzusetzen und zu interpretieren. Erst seit rund zehn Jahren ist es möglich, aus kleinen DNA-Stückchen, die sich in den uralten Knochen noch nicht zersetzt haben, Informationen über das Genom des Neandertalers zu bekommen.
Weil Haut und Haare im Gegensatz zu Knochen über einen so langen Zeitraum allerdings nicht erhalten bleiben, haben die Wissenschaftler einen anderen Weg gesucht, um mehr über das Äussere des Neandertalers zu erfahren. Dazu extrahierten sie DNA-Proben aus den Funden von einem Individuum aus Spanien sowie einem aus Italien und nahmen eine bestimmte Sequenz auf dem MC1R-Gen ins Visier. Denn dieses spezielle Gen spielt bei der Entstehung der verschiedenen Pigmenttypen von Melanin eine Schlüsselrolle und ist somit auch für die Haarfarbe verantwortlich. Bei Rothaarigen ist es leicht verändert, sodass letztlich statt des dunklen Farbstoffs Eumelanin mehr von der gelblich roten Substanz Phäomelanin erzeugt wird.
Garantiert echt und nicht gefärbt
Die Forschergruppe hat bei beiden Neandertalern jetzt eine ähnliche, aber neue Variante des veränderten MC1R-Gens von Rothaarigen gefunden. Als sie das uralte DNA-Stück dann in einem Laborversuch in menschliche Zellen einführten und in einer Petrischale kultivierten, konnten sie zeigen, wie dadurch die Produktion der verschiedenen Melanintypen beeinflusst wird. Ähnlich wie beim modernen Mensch könnte dieser Effekt somit auch bei den vor mehr als 30'000 Jahren in Europa lebenden Neandertalern zu einer roten Haarpracht geführt haben.
Auch bei anderen bereits ausgestorbenen Arten stellten die Paläo-Genetiker in früheren Untersuchungen eine solche Genvariante fest. «Einige urzeitliche Mammuts waren zum Beispiel blond», sagt Michael Hofreiter vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der aus Knochen eines etwa 43'000 Jahre alten Mammuts DNA isolierte. Anstatt braunem Fell hätten einige von ihnen helles gehabt.
(Tages-Anzeiger)
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch