Die Russen, die Liebe und das liebe Geld
Der neue Dortmund-«Tatort» ist für einmal weniger düster, trotz krasser Kampfszenen. Ein Märchen aus globalisierter Zeit.

«Die willentliche Aussetzung des Unglaubens»: So nannte der englische Autor Coleridge vor 200 Jahren das, was passiert, wenn man Fiktion «poetischen Glaubens» schenkt. Und dieser Aussetzungsmechanismus muss auf Hochtouren laufen, wenn man am neuen Dortmund-«Tatort» Gefallen finden will.
Denn glaubwürdig ist es nicht, dass ein russischer Multimilliardär ohne riesige Entourage in einem Dortmunder Mittelklasse-Hotel absteigt, allein in dunklen Gassen zu mysteriösen Geldübergaben schleicht, nebenher einer, zugegeben gut erhaltenen, Mittvierzigerin den Hof macht, die er zufällig im Hotel trifft – natürlich Undercover-Kommissarin Bönisch (Anna Schudt). Und dass der zwielichtige Oligarch sich am Ende auch noch um einen russischen Waisenknaben kümmert, den ihm die Mordkommission samt prallem Geldkoffer übergibt, obwohl sie um die mörderischen Triebe des Geldsacks weiss: na ja. Aber: The Russians love their children too ...
Kämpfen bis zum Tod
Gerade mit der Story rund um den schweigenden Buben, der mit Oberkommissarin Dalay (Aylin Tezel) auf dem Fussboden des Kommissariats übernachtet, weil das Jugendamt angeblich schludert, hat Drehbuchautor Wolfgang Stauch in «Tod und Spiele» den Bogen überspannt. Der Vater des namenlosen Jungen wurde als verkohlte Leiche von einem Obdachlosen gefunden. Nun hockt der Bub tagelang auf der Polizei herum und Dalay ist, sehr zu ihrem Ärger, als Babysitter abkommandiert. Derweil ermitteln Bönisch und der flotte neue Hauptkommissar Pawlak – ein vielversprechender, nicht ganz unbekannter Nachfolge-Sidekick nach Kossiks Verschwinden: Rick Okon – unter falscher Identität in Hotel beziehungsweise Fightclub.
Die Internationale der Dekadenz (mit Maske!) gönnt sich da nämlich gern für 100 000 Euro Tickets für Gladiatorenkämpfe, wo jeweils bis zum Tod gekämpft wird: Gesellschaftskritik ohne Predigt; selbst Bönisch turnen die krassen Brutalitäten an. Kotzbrocken Kommissar Faber (Jörg Hartmann) koordiniert die Emittlungen und zeigt sich dabei erstmals softer, spricht über sein Leid als verwaister Vater, zeigt momenthaft Empathie und über längere Passagen Sorge und Eifersucht.
Märchenmodus
Überhaupt kann man richtig gut mitfühlen und auch mitfiebern in «Tod und Spiele», sobald man sich einmal auf den Märchenmodus dieses Dramas über Arm und Reich im Global Village eingelassen hat. So gibts den obligaten Wettlauf mit der Zeit, dazu einen schmerzerfüllten Showdown.
Die Dialoge haben Witz, die Schauspieler Pfeffer. Und die 56-jährige Regisseurin Maris Pfeiffer erläutert im Interview, wieso sie buntere, leuchtendere Farben wählte als beim Dortmund-«Tatort» üblich und eine bewegtere, weniger stilisierte Kameraführung. Nach dem blutigen Terror-Tableau «Sturm» und dem beklemmenden Gefängnis-Krimi «Tollwut» hatten das Dortmunder Team Lust auf mehr Leichtigkeit.
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