
Dann steht dieses E im Raum. Das E der EVP. Das E von Ehe auch. Nadja Giuliani lehnt sich in ihrem Bürostuhl zurück, schaut zwischen den Storenlamellen hindurch auf den Blütenkreisel. Auf ihren Blütenkreisel, der ihr nicht nur Freude bereitet, wie die Rümlanger Gemeinderätin, die Tiefbauvorsteherin, vorhin erzählt hat, auf den sie auch ein bisschen stolz ist. Es ist, als gebe ihr dieses Gebilde aus zersprungenem Glas und rostigem Stahl Orientierung.
Das E. In Lebensmitteln steht es stellvertretend für das Unliebsame, in der Abkürzung EVP für das Verstaubte. Und in der Ehe für den Widerspruch Giulianis mit ihrer eigenen Partei. «Ja», sagt Giuliani nach einem Moment des Innehaltens, «das E schreckt ab.» Sie, die mit 17 der EVP beigetreten ist. Das lässt zuallererst einmal die Klischeemaschine rotieren: konservativ, rückwärtsgewandt, nett. Dabei ist das mit der EVP einfach so passiert. Nadja Giulianis Mutter war in der Partei, setzte sich in der Schulpflege ein. «Von ihr habe ich gelernt, dass die Gemeinde dein Zuhause ist.» Vier, fünf Jahre war sie weg, dann kehrte sie ins Elternhaus zurück, weil sie merkte: Rümlang ist Heimat. Trotz des Wandels, des Wachstums und des Fluglärms.
Familie, Bildung... und Liebe
Von Peter Reinhard hat sie später gelernt, was Politik ist. Der langjährige Parteisekretär und Kantonsrat war ihr Götti in der Partei, nahm sie mit in den Kantonsrat, an Veranstaltungen, an Standaktionen. An ihm hat Giuliani erkannt, dass die EVP in erster Linie an der Sachpolitik interessiert ist. Und von der Sache war sie begeistert: Familie und Bildung sind Werte, die sie selber hochhält, das Wohl der Gesellschaft, die Freiheit des Einzelnen. Und dass das E, «ich weiss, was in der Bibel steht», für gewisse Grundwerte steht. Werte, die die Gesellschaft wie Emulgatoren zusammenhalten. Werte, für die sich Giuliani zu Hause ebenso starkmacht wie im Gemeindehaus.
Einer dieser Grundwerte ist die Liebe. Sie steht über allem, auch über der Partei. Giuliani formuliert diesen Widerspruch als Frage: «Weshalb sollte ein Kind im Heim aufwachsen, wenn es zwei liebende Eltern haben kann?» Sie unterstützt die «Ehe für alle» und findet vorbehaltlos, dass auch gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren dürfen sollten. «Weil es für das Kindeswohl vor allem Liebe braucht, weil Liebe kein Geschlecht hat» und es in der Bibel in erster Linie um die Liebe gehe.
Götti Reinhard verfolgte die Karriere Giulianis stets, er, der sie 2012 ermutigt hatte, für den Gemeinderat und sechs Jahre später auch noch für das Gemeindepräsidium zu kandidieren. Er beschreibt Nadja Giuliani so: Sie sei jemand, der stets hinterfrage und nachfrage. Etwas unterscheide sie von vielen Politikerinnen und Politikern: Sie sei im Amt nicht abgestumpft.
Das mit dem Gemeindepräsidium wurde nichts, zuvor blieb Giuliani auch das Wunschdepartement verwehrt. Glaubte sie. Statt um die Rümlanger Sicherheit kümmert sie sich seit sechs Jahren um den Tiefbau. Das sind in erster Linie die Strassen und alles, was darunterliegt. Leitungen, Rohre, Kabel, immer noch mehr Kabel, «sehr technisch, sehr komplex». Aber eben auch Kreiselkunst, etwas, das Giulianis Schaffen für alle sichtbar macht. Jetzt würde sie um keinen Preis mehr wechseln wollen.
Ein weiteres E als Krönung
Aber ergänzen: durch ein Mandat im Kantonsrat. Man politisiere dort sehr vielseitig und auf einer Stufe höher. Damit sei auch die Tragweite von Entscheiden grösser. Für familienergänzende Strukturen würde sich die 37-Jährige starkmachen («für Leute, die arbeiten müssen, nicht wollen»), für Bildung und Integration in der Bildung («die Regelklassen müssen wieder kleiner werden»), für einen sorgfältigen Umgang mit dem Geld («es braucht einen Mittelweg zwischen Sparen und Investieren»).
Mit der Familie wäre das vereinbar. Ihr Mann sei trotz 100-Prozent-Job flexibel, sie sei es auch. Die Kinder, neun und fast elf, werden einmal die Woche extern betreut: Immer Dienstag essen sie bei einer Freundin Zmittag. Zu ihren Wahlchancen sagt Giuliani: «Man muss realistisch sein.» Aber auch daran glauben. An das E in Erfolg.
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Die Sache mit dem E
Eines ist Nadja Giuliani sicher: beständig. Die 37-Jährige hat ihr ganzes politisches Leben lang für die EVP politisiert.