Die Sanktionen treffen die Ärmsten
Schon die Ankündigung der USA liess die Währung des Iran einbrechen. Wer wenig verdient, kann sich selbst Grundnahrungsmittel kaum mehr leisten.

Seit gestern gelten die härtesten Sanktionen, welche die USA je gegenüber dem Iran verhängt haben. Sie richten sich gegen dessen Ölindustrie und die Zentralbank, aber auch gegen die zivile Luftfahrt und die Handelsflotte, die für die Ölexporte des Landes bedeutend ist.
Am stärksten betroffen ist aber die iranische Bevölkerung – und darunter vor allem die Ärmsten. Seit Donald Trump die Strafaktion im Frühling angekündigt hat, befindet sich die iranische Währung Rial im freien Fall. Das hat zur Folge, dass die Importe sich massiv verteuert haben – aber nicht nur. Benzin, Früchte, Gemüse, Tee, Zucker, Salz – praktisch alles wurde teurer, auch die einheimischen Güter. Zu vermuten ist, dass die reichen Basarhändler damit ihre Gewinnmarge hochhalten.
Hilflose Regierung
Gemäss dem Internationalen Währungsfonds (IWF) lag die Teuerung im Land im vergangenen Jahr noch bei 9,6 Prozent. Im laufenden Jahr wird das Preisniveau gemäss seiner Schätzung im Durchschnitt um rund 30 Prozent steigen, im nächsten Jahr um 34 Prozent.
Doch diese Zahlen zeigen ein noch viel zu positives Bild, da sie sich auf den offiziellen Rial-Wechselkurs abstützen. Gemäss diesem kostet ein Dollar aktuell rund 42'000 Rial. Aber für diesen Preis ist die US-Währung für die Iraner nicht zu erhalten. In den offiziellen Wechselstuben und auf dem Schwarzmarkt kostet der Dollar gegenwärtig rund 145'000 Rial – mehr als dreimal so viel. Noch Anfang Jahr kostete die US-Währung auch auf diesen Märkten erst 43'000 Rial, bis Ende September vervierfachte sich der Kurs auf 190'000 Rial.
Der Iran ist auf den Dollar angewiesen, um seine Importe bezahlen zu können.
Der US-Ökonom Steve Hanke hat errechnet, dass die Teuerungsrate, gemessen am tatsächlichen Wechselkurs, angesichts der gestiegenen Importkosten 203 Prozent beträgt. Offiziell wird sie mit 10,2 Prozent ausgewiesen.
Die Ärmsten im Iran können sich als Folge davon Grundnahrungsmittel wie Früchte, Milchprodukte und Fleisch kaum mehr leisten. Im iranischen Parlament hat Präsident Hassan Rohani jüngst erklärt, er beobachte die Preisentwicklungen täglich. Um die Folgen für die Bevölkerung abzufedern, hat seine Regierung beschlossen, an gering verdienende Familien Lebensmittel zu verteilen. Rund die Hälfte der 80-Millionen-Bevölkerung des Iran soll Pakete mit Reis, Pouletfleisch und Milchprodukten erhalten. Die Kosten eines solchen Pakets belaufen sich laut der «Financial Times» umgerechnet auf 143 Dollar. Nachhaltig verbessern vermag der Zustupf die Lage der Bevölkerung allerdings nicht.
Devisen werden knapp
Zudem ist fraglich, ob die Regierung sich auch in Zukunft solche Unterstützungsprogramme leisten kann. Die Staatseinnahmen hängen zu mehr als 40 Prozent von den Ölverkäufen ins Ausland ab, und der Iran verzeichnet schon jetzt Budgetdefizite. Diese werden nach Annahmen der Weltbank und des IWF deutlich zunehmen und 2020 bereits 5,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen.
Auch unabhängig vom direkten Handel mit den USA ist der Iran auf den Dollar angewiesen, um seine Importe bezahlen zu können. Doch an diese Währung gelangt das Land nur durch Exporte. Allein schon die Ankündigung der Sanktionen hat klargemacht, dass diese einbrechen werden – und damit auch die Verfügbarkeit der US-Hartwährung. Wer konnte, hat deshalb schon im Vorfeld Dollar gekauft und Rial abgestossen. Die Regierung versucht alles, um den Abfluss der Devisen aus dem Land zu stoppen: von Stützungskäufen bis zur Blockade von Websites zu Wechselkursen. Doch vergebens.
Die realwirtschaftlichen Folgen sind verheerend. Im laufenden Jahr prophezeit der Währungsfonds dem Iran einen Einbruch des BIP um 1,5 Prozent, im nächsten sogar um 3,6 Prozent. Und es kann noch schlimmer kommen, je nachdem, wieweit die Sanktionen gegenüber dem Iran greifen beziehungsweise wie viele andere Länder sich ihnen anschliessen.
Viele Beobachter sehen den eigentlichen Zweck der US-Sanktionen darin, eine Destabilisierung des Iran durch wirtschaftlichen Druck zu erreichen, sodass es letztlich zu einem Regimewechsel kommt. Ob Trump dieses Ziel erreicht, ist fraglich. Sicher ist, dass die iranische Bevölkerung leidet.
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Die Ängste vor einem Lieferengpass beim Öl haben sich gelegt
Noch vor gut einem Monat befand sich der Ölmarkt in Aufruhr. Die von den USA angekündigten Sanktionen gegen den Iran, mit denen die Regierung Trump mittelfristig eine möglichst vollständige Unterbindung von dessen Ölexporten anstrebt, warfen ihre Schatten voraus. Analysten und Händler befürchteten eine drastische Verknappung des Angebots, und so kletterte der Ölpreis Anfang Oktober bis auf knapp 87 Dollar je Fass der Nordsee-sorte Brent. Im Jahresvergleich entsprach dies einer Verteuerung um mehr als 50 Prozent.
Doch jetzt, da die US-Sanktionen in Kraft sind, zeigen sich die Märkte viel entspannter. Die gleichen Stimmen, die vor kurzem den Ölpreis in Richtung 100 Dollar davonziehen sahen, halten es inzwischen für möglich, dass die iranischen Lieferausfälle durch andere Hersteller wettgemacht werden. Dementsprechend ist der Ölpreis bis gestern wieder auf unter 73 Dollar gesunken.
Fördern aus vollen Rohren
Für den 15-prozentigen Preisrückgang innert Monatsfrist gibt es aus Sicht von Beobachtern zwei Hauptursachen. Zum einen haben die USA, Saudiarabien und Russland – die drei grössten Produzenten, die zusammen etwa 40 Prozent des weltweiten Öl-angebots bestreiten – ihre Fördermengen ausgeweitet. Zum andern hat sich Washington bereit erklärt, acht Länder vom Sanktionsregime teilweise oder ganz auszunehmen: China, Indien, Italien, Griechenland, Japan, Südkorea, Taiwan und die Türkei können sich während einer Übergangszeit weiterhin vom Iran beliefern lassen, wie US-Aussenminister Mike Pompeo gestern bekannt gab.
Laut offiziellen, letzte Woche veröffentlichten Zahlen vermochte die US-Industrie ihre Rohölproduktion im August auf rekordhohe 11,3 Millionen Fass pro Tag zu steigern. Für die ersten acht Monate des Jahres ergibt sich somit eine mittlere Erhöhung der Fördermenge gegenüber dem Vorjahr von 1,5 Millionen Fass pro Tag.

Die Saudis erzielten im September eine Förderleistung von 10,7 Millionen Fass pro Tag. Das entspricht einem Plus von 700'000 Fass pro Tag über die letzten Monate hinweg. Gleichzeitig erhöhten Russlands Ölproduzenten den Ausstoss auf 11,5 Millionen Fass – ein seit 1989 nicht mehr gesehenes Niveau. Seit dem Frühsommer haben sie damit die Fördermenge um rund 400'000 Fass pro Tag gesteigert.
US-Präsident Donald Trump hatte die Saudis und die Russen aufgefordert, mit Produktionsausweitungen ihren Teil dazu beizutragen, dass auf dem Ölmarkt keine Lieferengpässe wegen der Iran-Sanktionen eintreten. Könnten die beiden zusammen mit den USA ihre Förderung im jetzigen Umfang beibehalten, liesse sich der Ausfall des Iran wohl verkraften. Das Land könnte ohne Sanktionen mindestens 2,5 Millionen Fass pro Tag exportieren, was 3 Prozent des weltweiten Ölangebots entspricht.
Schweiz profitiert kaum
Die jüngste Entspannung am Ölmarkt wird indes kaum auf die Schweizer Benzinpreise durchschlagen. Grund dafür sind laut David Suchet, Sprecher der Erdöl-Vereinigung, die hohen Transportkosten. Angesichts der beschränkten Rheinschifffahrt wegen der tiefen Pegelstände und der weitgehend ausgeschöpften Kapazitäten bei Bahn und Strasse sei «eine baldige Normalisierung nicht in Sicht». Der Preis für Heizöl bewegt sich hingegen stärker im Einklang mit der internationalen Entwicklung, weil grössere Mengen mit Lastwagen aus Italien und per Bahn ins Land befördert werden.
Robert Mayer
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