Die Schattenseiten des Quinoa-Booms
Vor allem in der Bio-Szene ist Quinoa ein beliebtes Nahrungsmittel, die Nachfrage steigt. Angebaut wird es in den Anden – dort sind darum das ökologische Gleichgewicht und die Ernährungssicherheit bedroht.

Die weltweit wachsende Nachfrage nach Quinoa hat die Preise für das «Supergetreide» aus den Anden in die Höhe getrieben und den Lebensstandard bolivianischer Bauern verbessert. Doch der Boom hat auch eine Kehrseite: Immer mehr Bauern wenden sich nach Angaben von Agrarwissenschaftlern von traditionellen Anbaumethoden ab und gefährden damit das empfindliche Ökosystem des kargen Hochlands.
Für eine Tonne Quinoa werden derzeit bis zu 3200 Dollar (rund 3000 Franken) erzielt, fast dreimal mehr als noch vor fünf Jahren. Vor allem in der Naturkostszene ist die Nachfrage hoch. Quinoa zählt zwar zu den Fuchsschwanzgewächsen, wird aber verwendet wie Getreide. Es ist reich an Protein und Aminosäuren und zugleich glutenfrei. Die Vereinten Nationen haben 2013 zum internationalen Jahr der Quinoa ausgerufen, und der bolivianische Präsident Evo Morales feierte dies am Mittwoch gemeinsam mit der peruanischen First Lady, Nadine Heredia, am UNO-Sitz in New York. Die beiden Staaten sind weltweit die grössten Quinoa-Produzenten.
Beitrag zur Bekämpfung des Hungers
Die Welternährungsorganisation (FAO) ist der Ansicht, dass Quinoa einen bedeutenden Beitrag zur Ernährungssicherheit und der globalen Bekämpfung des Hungers leisten kann. Das Pseudogetreide wachse auch in niederschlagsarmen Regionen, und dies sei gerade in Zeiten des Klimawandels wichtig, sagte UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. Quinoa wird seit mindestens 3000 vor Christus im Hochland der Anden angebaut. Am besten gedeiht es in Gegenden mit kühlen Tagen und noch kühleren Nächten.
Zu Beginn der Aussaat im Dezember pflügte Präsident Morales in seinem Heimatort Orinoca höchstpersönlich auf einem Traktor ein Feld, um den Anbau von Quinoa öffentlichkeitswirksam zu fördern. In der vergangenen Woche aber rügte er Bauern, weil sie die Pflanze auf traditionellem Weideland von Lamas anbauten. Ohne den natürlichen Dünger der Lamas würde in mehr als 3000 Metern Höhe aber kaum etwas wachsen. Der bolivianische Vizeminister für ländliche Entwicklung, Victor Hugo Vasquez, sagt, etwa 30 Prozent der 70'000 Quinoaproduzenten des Landes seien Kinder von Bauern, die dem Hof den Rücken gekehrt haben und nun, angezogen von den hohen Quinoa-Preisen, zurückkehren. Viele Erzeuger folgten nicht den traditionellen Anbaumethoden. Weil sie die Fruchtfolge nicht beachteten, laugten sie die Böden aus. «Mit ihnen arbeiten wir nicht zusammen», sagt Vasquez.
Dreimal teurer als Reis
Morales' Regierung hat den Anbau von Quinoa vor zwei Jahren zur strategischen Priorität erklärt und dazu Kredite in Höhe von zehn Millionen Dollar vergeben. Die Anbaufläche stieg von 63'000 Hektar 2009 auf 104'000 Hektar 2012. Die Ernte betrug im vergangenen Jahr 58'000 Tonnen, 40-mal mehr als 2000. 54 Prozent des bolivianischen Quinoas werden in die USA exportiert, 24 Prozent nach Europa. Peru steigerte seine Produktion von 29'640 Tonnen 2009 auf 43'640 Tonnen, die Exporte brachten 30 Millionen Dollar ein, 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Erfolg rief auch Konkurrenten auf den Plan: Quinoa wird inzwischen auch in anderen Ländern wie Kanada, den USA, Australien, China, Indien und Paraguay angebaut.
Experten sehen neben dem Umweltaspekt ein weiteres Problem beim kräftigen Ausbau des Quinoa-Anbaus: Nahe dem Titicacasee, einer der fruchtbarsten Regionen des Hochlands, wird nun erstmals Quinoa angebaut, während dort traditionell Kartoffeln, Bohnen und Hafer wuchsen. Fachleute befürchten, dass dieser Trend die Ernährungssicherheit in einem Land gefährdet, in dem eines von fünf Kindern an chronischer Unterernährung leidet.
Auf den Märkten der Metropole La Paz kostet Quinoa inzwischen dreimal mehr als Reis. Die einheimische Bevölkerung ernährt sich kaum davon, der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei knapp über einem Kilogramm pro Jahr. Die FAO will den Verzehr von Quinoa in der Region fördern, indem sie für seine Verwendung bei subventionierten Schulfrühstücken wirbt.
Präsident Morales erklärte am Mittwoch in New York, es sei nicht wahr, dass wegen des gestiegenen Preises in Bolivien immer weniger Quinoa gegessen werde. Der Verzehr sei in den vergangenen vier Jahren sogar um das Dreifache auf 12'000 Tonnen gestiegen.
SDA/fko
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