Die schönsten Hotels dieser Welt ins rechte Licht gerückt
Die einmaligen Bilder des Schweizer Fotografen und Buchautors Reto Guntli bringen den Betrachter zum Träumen.
Es ist nicht einfach, diesen Mann zu treffen. Reto Guntli ist ständig unterwegs. Er steigt ins Flugzeug wie andere in die S-Bahn. Allein in diesem Sommer reiste er nach Hongkong, Thailand, Malaysia, Indonesien, London, Bordeaux, Mallorca und Montreal. Die Provence kommt ihm noch in den Sinn. Gut möglich, dass er die eine oder andere Destination vergessen hat.
Guntli ist einer der bekanntesten Fotografen von Luxushotels. Seit über zwanzig Jahren ist er im Business, weltweit vernetzt, topflexibel, plant nicht länger als einen Monat im Voraus. Der silberne Rollkoffer, hier ein Kratzer, dort eine Delle, ist bereits wieder gepackt. Gleich nach unserem Gespräch wird er nach Mallorca jetten – und weiter nach Paris für ein «Fotoshoot» des Fünfsternpalastes Park Hyatt Vendôme. Er inszeniert und komponiert Hotel-Lobbys, Suiten, Bungalows oder eine Frühstücksterrasse, aber auch schicke Pools und üppige Gärten. Im Auftrag der Hotels, unter anderem der Aman Resorts, der exklusivsten Hotelgruppe der Welt mit 34 paradiesischen Locations in Städten, im Dschungel, auf Inseln.
Guntlis Fotos werden von den Auftraggebern für Internetauftritt und Promotion genutzt. Aber auch von der Presse übernommen. Dass Millionen in neue Hotels investiert werden und dann am Fotografen gespart wird, das kann Guntli nicht nachvollziehen. «Ein Riesenfehler», einzigartige Bilder würden weltweit publiziert, beste Werbung sei das.
Wenns hochkomme, verbringe er eine Woche pro Monat hier in seinem Zuhause mitten in Zürich. Sein Tipp gegen den Jetlag: Sofort den Rhythmus vor Ort übernehmen, «selbst wenn du todmüde bist, schlepp dich durch den Tag, halte dich wach, bis Schlafenszeit ist». Guntli führt durch die «Nomadenwohnung», wie er sie nennt. Diese ist sehr persönlich eingerichtet, voller Accessoires. Nicht aus der Deko-Abteilung des Kaufhauses, es sind Mitbringsel aus aller Welt. Ein stattlicher goldener Buddha hockt im Schlafzimmer auf einem schwarzen Schrank aus China, an der Wand hängt ein Kostüm aus der Peking-Oper. Riesige Muscheln aus Bali, bunte Vogelfedern aus dem Amazonas, Schmetterlinge aus Vietnam, im Wohnzimmer steht ein gigantischer, blendend weisser Zahn, oder ist es ein Knochen? «Die Rippe eines Wales», klärt Guntli auf, «von einem Fischer in Marokko.» Tierische Souvenirs, die heute, das ist dem Weitgereisten bewusst, oft unter Artenschutz stehen.
Jeder Gegenstand hat eine Geschichte – und Reto Guntli erzählt gern. Den grünen Löwen aus Keramik, der geduckt über den langen Holztisch pirscht, habe er kürzlich auf einem Flohmarkt in der Provence erstanden. Auch weil er im Sternzeichen des Löwen geboren sei. Den Geburtstag Ende Juli hat Guntli im Flugzeug von Zürich nach Montreal verbracht. In der kanadischen Metropole hat er eine Bildstrecke für «Swiss Universe» realisiert, das Luxus-Magazin der Fluggesellschaft Swiss. Selbstverständlich fliegt der Profifotograf auf Langstrecken stets Business Class.
Mit Auge fürs Detail und sicherem Geschmack
Vor dem hölzernen Büchergestell bleibt er stehen, «alles Bücher von mir». Über fünfzig hat er veröffentlicht, viele davon über Asien für den Taschen-Verlag. In Asien fühlt sich Guntli daheim, er liebe das Klima und die Menschen, insbesondere die Balinesen. Er zieht ein dickes Exemplar aus dem Regal: «Inside Asia», da stecke besonders viel Herzblut drin, ein Jahr lang habe er dafür 17 Länder bereist. «Cruising in Style», «Luxury Houses», «Chalets mit Stil», «Luxury Living in New York», «Living in Style Paris» («eine Zusammenarbeit mit Caroline Sarkozy, der Schwester des Ex-Präsidenten») und viele mehr – Coffee-Table-Books, Grossformat, Hochglanz, die den Lebensstil der Superreichen abbilden.
Reto Guntli legt Wert auf Stil, das Glas Wasser kommt mit Zitronenscheibe, zum Espresso reicht er frische Croissants. Und er achtet auf sein Aussehen. Weil zu erstklassigen Hotels immer auch eine ausgezeichnete Küche gehört, müsse er sich zu Hause diszipliniert ernähren, meist reiche «es Salötli». Sein Alter möchte Guntli lieber nicht nennen, «I'm a man without age» – man schätze sein Alter ohnehin meist zu tief. Eine markante Uhr am Handgelenk. Und der goldene Ring am Finger? Sein langjähriger Freund (Brasilianer, trotz Passion für Asien), lebe zurzeit auf Mallorca. Eine ideale Wohnsituation, findet Guntli, beide brauchten ihre Unabhängigkeit, ihre Ruhe.
«Meine Fotos dürfen nichts versprechen, das nicht eingehalten wird.»
Er greift erneut ins Bücherregal, «The Hotel Book Asia», sein meistverkauftes Buch, gibt Einblicke in die nobelsten Herbergen. Mit Auge fürs Detail und sicherem Geschmack verzichtet Guntli auf eine Stylistin, arrangiert Räume, Blumen und Früchte selber – aber nie zu viel. «Meine Fotos dürfen nichts versprechen, das nicht eingehalten wird.» Denn der Kunde von heute, egal wie vermögend, vergleiche immer: «Findet er bloss ein ‹Margeritli› und kein meterhohes Bouquet wie auf dem Foto vor, verlangt er Rabatt.»
Guntli schwört auf seine Nikon-Kamera, spricht von einem «emotionalen Zugang» zum Sujet, er versuche, die Atmosphäre zu erfassen, so natürlich wie möglich sollen seine Bilder sein. Menschen sieht man auf den Hotel-Fotos kaum – höchstens einen uniformierten Kellner mit silbernem Tablett. Photoshop setze er sehr zurückhaltend ein, um Licht hervorzuholen, einen Riss in der Wand zu korrigieren. Verfremdet werde nichts: Fotos wie jene vom exklusiven Resort in den Schweizer Bergen kombiniert mit einem Sonnenuntergang aus Thailand gibt es bei ihm nicht.
Knapp eine Woche arbeitet er für ein «Hotelshoot» vor Ort, oft mit seinem langjährigen Co-Fotografen Agi Simoes. Die Tage sind endlos, die Erwartungen hoch. Aber selbstverständlich werde er umsorgt, sagt Reto Guntli, er wohnt auch mal in einer 6000-Dollar-Suite. «Manchmal fühlt sich das wie ein Millionärs-Dasein an – und ich werde erst noch bezahlt dafür.» Guntli weiss den Luxus zu schätzen und packt stets die fein duftenden Fläschchen mit Shampoo und Lotion ein, «aber meinen Bademantel habe ich bezahlt», fügt er lachend an.
Auf dem Schreibtisch steht ein kleiner Globus, das Geschenk der Eltern zu seinem zwölften Geburtstag. Als Bub habe er Stunden vor dieser Kugel verbracht und von fremden Ländern geträumt. In Buchs SG ist er aufgewachsen, man hört den Rheintaler nach wie vor. Die Eltern seien ihren Lebtag nie in ein Flugzeug gestiegen. Er hingegen konnte es kaum erwarten, aus dem Dorf zu entfliehen, frei zu sein. Mit 19 war es so weit, «ich wurde ein Globetrotter». Er lebte in Tokio, Bali, Indonesien, Hawaii, Los Angeles. Und in New York als Absolvent einer Schauspielschule. Wo er merkte, dass er sich hinter der Kamera wohler fühlt. Die Kamera schaffe eine gewisse Distanz, mache ihn zum Beobachter, zum Voyeur. Das Fotografieren hat er sich selber beigebracht.
In den 90er-Jahren reiste er nach Indien, damals wurden viele der prunkvollen Maharadscha-Paläste zu Luxushotels umgebaut. Guntli war einer der ersten, der Herrscher und deren Prachtsresidenzen porträtierte. Es war sein Durchbruch als «Lifestyle Photographer», wie er sich nennt. Architektur, Interieurs, berühmte Menschen, Mode oder Kunst, Reto Guntli fotografiert die schönen Dinge des Lebens.
Kriegsschauplätze, das Elend dieser Welt, überlässt er anderen. Obwohl er politisch «absolut up to date» sei und seine Augen nicht vor der Realität verschliesse. Mit seinen Fotos aber will er den Betrachter träumen lassen, «you gotta make people dream». Prunk und Überfluss – oft in Drittweltländern. Wie geht er damit um? Guntli sagt, er unterstütze die Menschen vor Ort, bezahle beispielsweise dem kranken Vater eines Hotelangestellten den Arztbesuch oder das Schulgeld eines Kindes. Er sei stets grosszügig, spendabel auch beim Trinkgeld, «ich weiss, wie wenig die Hotelangestellten verdienen».
Gefragt nach seinem Lieblingshotel, nennt er das Amanjiwo auf Java und das Bawah Reserve in Indonesien. Nicht, dass er sich diese Unterkünfte privat leisten könnte. Und er wolle sich auch gar nicht an diesen Lifestyle gewöhnen. «Die beste Zeit überhaupt hatte ich damals auf Bali, in einer Strandhütte für drei Dollar die Nacht.»
Persönlich sei ihm ein Balkon und Aussicht wichtig, «und etwas Design». Hotelketten wie Hilton oder Sheraton, deren Zimmer auf der ganzen Welt gleich aussehen, sind ihm ein Graus. Und er hasse neureiche Einrichtungen, «zu viel Gold, zu viel Marmor», wie sie oft im Mittleren Osten anzutreffen sind. Stil habe nun mal nichts mit Geld zu tun.
Und was hält er von den Schweizer Nobelherbergen? Guntli sagt, mit Highend-Hotels in Asien, wo auf einen Gast sechs Angestellte kommen, könne die Schweiz nicht mithalten. Aber: Die Schweizer Hoteldirektoren – in Lausanne oder Luzern ausgebildet – seien hervorragend und weltweit gefragt. «Ich treffe auf der ganzen Welt auf Gastgeber aus der Schweiz.»
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