Die Schweiz – «das kleine, bessere Europa»
Die EU versucht, den Mythos des Störenfrieds in ihrer Mitte zu erfassen: Eine Sonderausgabe des Brüsseler Informationsblattes «Europolitique» beleuchtet die Schweiz von allen Seiten.

Die Schweiz fasziniert, sie irritiert ihre Partner in der Europäischen Union (EU) aber auch oft. Das zweisprachige Informationsblatt «Europolitique» in Brüssel widmet dem «weissen Fleck auf der EU-Karte» heute eine dicke Sonderbeilage.
Unter dem Titel, der etwas frei übersetzt «Eine schrecklich nette Familie» heissen könnte, wird auf über 30 Seiten mit Klischees aufgeräumt. Statt über Schokolade und Uhren berichten Mitglieder der 13-köpfigen Redaktion von «Europolitique» über Verkehr, Elektrizität, Forschung und Aussenpolitik.
«Die Nase mitten im Gesicht»
Alle Themen werden mit Blick auf die Schweiz behandelt, «das kleine, bessere Europa», wie der Chefredaktor Pierre Lemoine in seinem Editorial schreibt. Faszinierend sei, «dass alles mehr oder weniger gut funktioniert, aber es funktioniert!». Die Schweizer Wirtschaft bleibe in der Krise solide und die Arbeitslosigkeit tief.
Irritierend wirke die Schweiz, die doch der EU kulturell, philosophisch und politisch so nah stehe, dadurch, dass sie «trotz aller Affinitäten, immer weniger daran interessiert zu sein scheint, Mitglied der EU zu werden». Sie sei die Nase mitten im Gesicht, aber auch das Loch in der Mitte der Malerpalette oder das fehlende Teil des Puzzles, schreibt Lemoine weiter.
Widmer-Schlumpf macht Werbung
Auch Schweizer Politiker kommen im Informationsblatt zu Wort. Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf nutzt die Plattform, um die Weissgeldstrategie zu erklären. Zudem wirbt sie für die Abgeltungssteuerabkommen der Schweiz. Die Abgeltungssteuer sei die bessere Lösung als ein automatischer Informationsaustausch, den die Schweiz ablehnt, da damit das Bankgeheimnis abgeschafft würde.
EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta hält dagegen: Der automatische Informationsaustausch sei das beste Mittel für die Besteuerung von Zinseinkünften. Semeta warnt im Interview davor, dass die Geduld der EU-Länder langsam zu Ende gehe. Er fordert dringend «Resultate» beim Dialog zum Kodex für die Unternehmensbesteuerung.
Barroso will keine Einzelbaustellen mehr
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ruft in einem Gastbeitrag in Erinnerung, dass bei den Beziehungen Schweiz - EU «eine neue Etappe» in Angriff genommen werden soll. Das sektorielle Vorgehen, also die Verhandlungen zu einzelnen Bereichen, müsse überwunden werden und einer kohärenten und globalen Vision Platz machen.
Diese Erneuerung der Zusammenarbeit soll sich auf die bekannten und umstrittenen institutionellen Fragen stützen. Dazu gehören die dynamische Übernahme des sich entwickelnden EU-Rechts, die gleiche Interpretation dieser Regeln, ein Mechanismus zur Streitschlichtung und eine unabhängige Gerichtsbarkeit. Barroso fordert ein politisches Abkommen zu diesen Fragen, «ohne Zweideutigkeiten».
Tägliches Informationsblatt
Koordiniert wurde die Beilage von Tanguy Verhoosel. Der belgische Journalist arbeitet für «Europolitique», aber auch seit über zwanzig Jahren für verschiedene Westschweizer Zeitungen. Momentan ist er Korrespondent für die Freiburger Tageszeitung «La Liberté».
«Europolitique» erscheint täglich als Informationsblatt auf Französisch und Englisch. Der Dienst ist nur im Abonnement erhältlich, stösst aber in den EU-Institutionen in Brüssel und bei den ständigen Vertretungen der EU-Länder sowie Drittstaaten wie der Schweiz auf viel Aufmerksamkeit. Die genauen Abonnementszahlen werden nicht kommuniziert.
SDA/fko
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