Die SP ist im falschen Film
In der Debatte zum US-Steuerdeal hat der Nationalrat einem Ordnungsantrag zugestimmt, der von falschen Voraussetzungen ausgeht.

Mit 100 zu 90 Stimmen hat der Nationalrat einem Ordnungsantrag von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP, BL) zugestimmt. Für die Sozialdemokraten muss dies ein ganz spezieller Sieg sein. Ausgerechnet in einer Frage aus dem Bankenumfeld konnten sie sich gegen die bürgerliche Mitte durchsetzen.
Der Euphorie dürfte jedoch bald die Ernüchterung folgen. Die SP hat den Bundesrat gezwungen, Einzelheiten zum Abkommen mit den USA preiszugeben. Doch es ist ein Scheinsieg. Die Sozialdemokraten haben offenbar nicht begriffen, dass sie im falschen Film sind.
Es geht nicht um einen Vertrag
Der Reihe nach: Wie ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung sind auch die Genossen der Meinung, im gegenwärtigen Tauziehen um Steuern und Banken gehe es darum, einen Vertrag auszuhandeln. Deshalb sind sie irritiert, dass der Bundesrat sich weigert, dem Parlament und der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken, will heissen: detailliert Auskunft darüber zu geben, was wir geben und was wir bekommen. Das wäre verständlich, wenn es sich tatsächlich um einen Vertrag handeln würde. Das ist aber nicht der Fall.
Worum es geht, lässt sich am besten mit einem Vergleich erklären: Die Schweizer Banken haben sich in den USA aufgeführt wie Raser. Sie haben in grossem Umfang und wiederholt die geltenden Geschwindigkeitslimiten übertreten. Dass sie dabei auch noch dem Verkehrspolizisten den Stinkefinger gezeigt und die Untersuchungsbehörden beleidigt haben, macht die Sache nicht wirklich besser. Dafür werden sie nun bestraft.
Der Angeklagte kann mitreden
In einem amerikanischen Strafverfahren kann man jedoch dealen. Der Untersuchungsrichter sagt sinngemäss dem Angeklagten: «Wenn Sie mir die gewünschten Informationen liefern, dann beträgt ihre Strafe Gefängnis zwischen drei und fünf Jahren, wenn nicht, zwischen 20 und lebenslänglich. Sie dürfen entscheiden.»
Die US-Behörden wollen von den Schweizer Banken zusätzliche Informationen, denn sie meinen es offensichtlich ernst im Kampf gegen die Steuerhinterzieher. Liefern die Banker jedoch diese Informationen, dann verstossen sie gegen das Bankgeheimnis. Das ist ein Offizialdelikt und würde automatisch die Finanzpolizei, die Finma, auf den Plan rufen. Deshalb sieht das Abkommen vor, dass das Gesetz des Bankgeheimnisses gegenüber den USA für ein Jahr ausser Kraft tritt.
Schadenfreude ist kein Erfolgsrezept
Für die Amerikaner ist dies jedoch kein Bestandteil eines Vertrages, für den die Schweiz etwas erhält, sondern allenfalls ein mildernder Umstand in einem Strafverfahren. Gegenpart ist schliesslich das Departement of Justice, das US-Justizdepartement. Dieses sieht sich in der Rolle einer Strafbehörde, die allenfalls bereit ist, ein Gentlemen's Agreement einzugehen, die aber auf keinen Fall gewillt ist, dies auch in der Öffentlichkeit zu verhandeln und zu rechtfertigen. Aus amerikanischer Sicht ist dies verständlich.
Auch ein Schweizer Richter dealt nicht in der Öffentlichkeit, wenn er einen Raser büsst. Deshalb dürfte es auch sehr unwahrscheinlich sein, dass der Bundesrat dem Antrag der SP folgen kann und Einzelheiten des Abkommens preisgeben wird. Die Genossen haben sich verdribbelt. Es ist verständlich, dass sie immer wieder darauf hinweisen, dass sie längst vor den Gefahren des Bankgeheimnisses gewarnt haben. Doch Schadenfreude ist langfristig kein Erfolgsrezept. Die Banken werden auf jeden Fall bestraft werden, und zwar nicht zu knapp. Das sollte auch der SP reichen.
Die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz steht auf dem Spiel
Im Tauziehen mit den USA steht aber viel mehr auf dem Spiel: die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes. Als Regierungspartei kann dies den Sozialdemokraten nicht gleichgültig sein. Um nochmals einen Vergleich zu ziehen: Bundesrat und Parlament können den Schaden nicht rückgängig machen, sie können einzig wählen, ob die Folge eine kontrollierte oder eine unkontrollierte Kettenreaktion sein wird.
Ein Agreement mit den USA hätte eine kontrollierte Reaktion zur Folge – und das ist schon viel. Den Genossen sollte dies genügen, und sie sollten sich umgehend aus der gefährlichen Liebschaft mit der SVP lösen. Denn Christoph Blocher und Co. wollen nur eines: Rache an Eveline Widmer-Schlumpf – selbst wenn dabei der Finanzplatz Schweiz vor die Hunde geht.
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