Die Stinkkäfer-Invasion nahm in Zürich ihren Anfang
Die lästigen Wanzen sind aus dem Ausland zugewandert – wohl mit einer besonderen Lieferung aus China nach Zürich.

Sie ist 12 bis 17 Millimeter klein und mit den steigenden Temperaturen im Frühling kriecht sie wieder aus ihren Verstecken hervor: die Marmorierte Baumwanze – besser bekannt als «Stinkkäfer». Früher oder später machen Zürcherinnen und Zürcher mit dem Käfer Bekanntschaft. Fasst man das Insekt zu grob an oder tötet es, sondert es ein streng riechendes Sekret ab.
Der Stinkkäfer ist keine heimische Spezies. Doch in der Stadt Zürich scheint sich die Marmorierte Baumwanze besonders wohlzufühlen, sagt Biologe Tim Haye. Die Wanze sei ein Schädling – aufgrund des grossen Hungers und potenten Wachstums sogar ein «Top-Schädling», sagte Haye unlängst der «TagesWoche». Dem Biologen ist zu verdanken, dass es heute gut nachvollziehbar ist, wie das Insekt von Zürich aus seine Verbreitung in Europa angetreten hat. Haye arbeitet in Delémont am Forschungszentrum Cabi Switzerland, in dem er die Halyomorpha halys, wie sie wissenschaftlich heisst, erforscht. «Für mich ist ganz klar, dass Zürich der Ausgangspunkt für die erste Invasion der Wanze in Europa war», sagt er. Die Wanze verbreitet sich weniger durch ihre Flugkünste, diese muten eher tollpatschig an. Sie reist zum Beispiel bei Transporten von befallenen Pflanzen ein.
Der älteste bekannte Nachweis des Stinkkäfers in der Schweiz stammt aus dem Jahr 2004. Eine Privatperson fotografierte damals in der Neptunstrasse die Wanze. Der Fundort lag ungefähr einen Kilometer vom Chinagarten entfernt. 2007, drei Jahre später, waren bereits grosse Populationen dieser Insektenart in Zürich vorhanden.

Mit grösster Wahrscheinlichkeit war der Chinagarten das Einfallstor für die Wanze in die Schweiz. Der Garten beim Zürichhorn, ein Geschenk der chinesischen Partnerstadt Kunming an Zürich, wurde 1994 eröffnet. Vier Jahre später mussten bereits die Dachziegel ausgewechselt werden, weil das Schweizer Winterwetter ihnen zugesetzt hatte. Chinesische Gartenspezialisten mussten sie 1998 in aufwendiger Arbeit neu verlegen.
«Diese neuen Ziegel wurden aus der kaiserlichen Ziegelei in Liuliqu nahe Peking ausgeliefert», sagt Biologe Tim Haye. Und fügt an: «Es ist sehr wahrscheinlich, dass in diesen Holzkisten, die nach Zürich verschickt wurden, die Wanze als blinder Passagier nach Zürich einreiste», sagt er. Der Insektenforscher weiss, wovon er spricht: 2013 hat er diese Ziegelei selbst besucht und dort in und um den Betrieb genau diese Wanzenart gefunden und eingesammelt.
Fliegengitter als Schutz
Zur These des Biologen passen auch die Aussagen von Marcus Schmidt von der Schädlingspräventionsstelle der Stadt Zürich: «Erste Meldungen haben auch wir in der Umgebung des Chinagartens verzeichnet.» Seither bekomme die Beratungsstelle immer wieder Anfragen von Bewohnern aus der Region Zürich, die sich über das Tier ärgern. Der Stinkkäfer eroberte von Zürich aus in schnellem Tempo auch die Städte Basel, Bern und Schaffhausen. Weil Städte durchschnittlich wärmer sind als ländliche Gebiet, fühlt sich der Stinkkäfer in der Schweiz in Städten besonders wohl, führt Schmidt aus.
«Der Stinkkäfer wird sich weiter ausbreiten, wenn die Klimaerwärmung voranschreitet.»
Für Marcus Schmidt ist klar, dass sich die Wanze weiter ausbreiten wird, wenn die Klimaerwärmung voranschreitet, vor allem in ländlichen Gegenden. «Auch die Forschung (Cabi) wird nicht in absehbarer Zeit eine schnelle und gute Lösung dafür finden», sagt er.
Während sich Zürcherinnen und Zürcher über die Stinkkäfer ärgern, sind sie in den USA mittlerweile zur Plage geworden. Der «New Yorker» berichtete kürzlich in einem Artikel von einem jungen Ehepaar aus South Corolina. Die beiden fanden eines Abends ihr gesamtes Schlafzimmer voller Wanzen. Auf jeder freien Fläche hatten sich Tausende der Insekten zur Überwinterung eingenistet. Das Ehepaar fand noch viele Monate später in Ritzen, Fugen und Kleidungsstücken verbliebene Exemplare der Marmorierten Baumwanze.
Schmidt von der Schädlingspräventionsstelle der Stadt Zürich empfiehlt als Schutzmassnahme gegen die Wanze, Fliegengitter an den Lüftungsfenstern zu montieren, um das Tier draussen zu halten. Im Obst- und Gemüseanbau hingegen sei der Einsatz von Netzen oder auch Insektiziden möglich.
Für Städter ist das Tier einfach lästig, bei Obst- und Gemüsebauern hingegen kann der Schädling Schäden bei der Ernte anrichten, was bis jetzt vor allem im Ausland der Fall ist. Der Grund: Die Wanze klebt ihre Eier an die Unterseite von Blättern – dieser werden daraufhin löchrig, verfaulen und sterben ab. Oder sie saugt an Früchten, so dass diese Schäden bekommen und für den Verkauf nicht mehr zu gebrauchen sind.
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