Die Swissness-Vorlage gibt zu viel zu reden
Wie viel Schweiz soll in einem Produkt stecken, damit das entsprechende Label gerechtfertigt ist? Diese Frage spaltet die Räte. Die heutige Debatte im Ständerat hat gar so lange gedauert, dass sie verschoben wurde.

Die Swissness-Vorlage sorgt für rote Köpfe im Parlament. Dass die Marke «Schweiz» geschützt werden soll, ist unbestritten. Bei den Details gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. Der Ständerat wollte sich heute noch nicht festlegen.
Soll eine Toblerone das Schweizer Kreuz tragen dürfen, obwohl die Inhaltsstoffe nicht aus der Schweiz stammen? Kann eine Erdbeerkonfitüre ohne Schweizer Erdbeeren schweizerisch sein? Soll der Wäschehersteller Hanro seine Produkte mit «Switzerland» bewerben dürfen, obwohl diese im Ausland produziert wurden?
Um solche Fragen geht es in der Swissness-Vorlage. Im Spiel sind unterschiedliche Interessen, die kaum unter einen Hut zu bringen sind: jene der Landwirtschaft, jene der verarbeitenden Industrie und jene die Konsumentinnen und Konsumenten. Der Ständerat hätte heute entscheiden sollen, welchen Anliegen er Vorrang gibt.
Eine Flut von Änderungsanträgen
Angesichts der zahlreichen Änderungsanträge aus den Reihen des Rates beschloss er jedoch, die Entscheide auf die nächste Session zu verschieben. Mit 27 zu 14 Stimmen nahm die kleine Kammer einen entsprechenden Ordnungsantrag von Alex Kuprecht (SVP/SZ) an.
Es sei sinnvoller, die Anträge zuerst in der Kommission vorzuberaten, befand die Mehrheit. Die Beratungen könnten ohnehin nicht mehr in der laufenden Session abschlossen werden. So führte der Rat heute lediglich die Eintretensdebatte. Diese machte deutlich, dass die Diskussionen noch lange andauern dürften.
Wertvolle Marke
Einig waren sich die Rednerinnen und Redner in einem Punkt: Die Marke «Schweiz» ist wertvoll. Nach Schätzung des Bundesrates erzielt die Wirtschaft damit einen Mehrerlös von 6 Milliarden Franken. Produkte können bis zu 20 Prozent teurer verkauft werden, wenn sie als Schweizer Produkte beworben werden.
Schmückt das Schweizer Kreuz aber immer mehr Produkte, die nichts oder wenig mit der Schweiz zu tun haben, dürfte die Marke an Wert verlieren. Dies gelte es zu verhindern, lautete der Tenor im Ständerat. Es brauche einfache, klare Regeln, die dafür sorgten, dass die Marke «Schweiz» nicht missbraucht werde.
Schaden statt Nutzen
Damit hat es sich aber mit der Einigkeit. Ein Teil des Ständerates befürchtet, dass die Regeln am Ende mehr schaden als nützen werden, wenn sie zu streng ausfallen. Dürften Traditionsprodukte das Schweizer Kreuz nicht mehr tragen, bestehe die Gefahr, dass die Produktion ins Ausland verlagert werde, warnten viele Redner.
Das Schweizer Kreuz stehe nicht nur für Rohstoffprozente, sondern auch für das Vertrauen in die verarbeitende Industrie, gab Urs Schwaller (CVP/FR) zu bedenken. Anita Fetz (SP/BS) dagegen kündigte an, sie werde am Ende nicht zustimmen, wenn das Gesetz zu stark verwässert werde.
Gratwanderung mit offenem Ausgang
Ivo Bischofberger (CVP/AI) sieht die Gefahr, dass das Gesetz zur «bürokratischen Eiterbeule» verkommt. Und auch Hannes Germann (SVP/ SH) warnte, es bestehe ein erhebliches Risiko, dass die Regeln durch Änderungen, Ergänzungen und Ausnahmen am Schluss nicht mehr verständlich seien.
Nicht bezweifelt wurde, dass die Vorlage für die Wirtschaft von grosser Bedeutung ist. Dies habe das gewaltige Lobbying im Vorfeld eindrücklich vor Augen geführt, stellten mehrere Redner fest. Ob die Gratwanderung gelinge, sei offen.
Den Lobbyisten widerstehen
Justizministerin Simonetta Sommaruga rief den Rat dazu auf, sich vom Lobbying nicht zu stark beeinflussen zu lassen. Alle möchten sich vom Swissness-Kuchen möglichst viel abschneiden, mit möglichst wenig Aufwand, stellte die Justizministerin fest. Könne die Marke «Schweiz» aber für alles verwendet werden, verliere sie an Wert.
Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dass ein verarbeitetes Naturprodukt wie etwa Schinken oder Fruchtsaft als Schweizer Produkt beworben werden kann, wenn mindestens 80 Prozent der verarbeiteten Rohstoffe aus der Schweiz stammen und das Produkt in der Schweiz seine wesentlichen Eigenschaften erhalten hat.
Stark und schwach verarbeitet
Der Nationalrat will zwischen stark und schwach verarbeiteten Produkten unterschieden. Für stark verarbeitete Produkte würde ein Mindestanteil Schweizer Rohstoffe von 60 Prozent gelten, für schwach verarbeitete ein Anteil von 80 Prozent.
Die Abgrenzung zwischen «stark» und «schwach» müsste der Bundesrat auf Basis der Zolltarife vornehmen. Dies würde dazu führen, dass ein Erdbeerjoghurt als schwach verarbeitet gälte, während ein Rhabarberjoghurt wegen der gekochten Früchte als stark verarbeitetes Produkt behandelt würde.
Die vorberatende Ständeratskommission möchte in vielen Punkten zur bundesrätlichen Version zurückkehren, was im Rat umstritten ist. Entscheiden wird der Ständerat voraussichtlich in der Wintersession.
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