Die tapferen Journalistenretter von Homs
Dem in Homs eingekesselten Journalisten Javier Espinosa gelang offenbar dank dem Netzwerk Avaaz die Flucht. Gleichzeitig hat Präsident Assad laut Berichten die «Säuberung» des Viertels Baba Amr angeordnet.
Der aus Syrien berichtende spanische Journalist Javier Espinosa ist nach Angaben einer Kollegin aus der heftig umkämpften Stadt Homs entkommen. Der Reporter sei im Nachbarland Libanon in Sicherheit, teilte Monica Garcia Prieto am Mittwochabend mit. Zwei französische Journalisten, William Daniels und die bei einem Raketenangriff verletzte Edith Bouvier, seien noch immer in dem von Truppen des Präsidenten Baschar Assad belagerten Stadtteil Baba Amr.
Der beim selben Angriff verletzte britische Fotograf Paul Conroy wurde bereits am Dienstag in den Libanon gebracht. Zwei weitere Journalisten, die Amerikanerin Marie Colvin und der Franzose Remi Ochlik, wurden bei dem Einschlag der Rakete in einem provisorischen Pressezentrum in der vergangenen Woche getötet.
13 Syrer starben für die Journalisten
Tagelang hatten Aktivisten die Evakuierung der vier eingeschlossenen Journalisten vorbereitet. Bis zu 100 Syrer hatten einen Rettungsweg ins Nachbarland vorbereitet. Da die Regierung die Bewegungen der Gruppe überwachen lässt, möglicherweise mit einer Drohne, geriet eine der Gruppen unter Beschuss und musste umkehren. Einer zweiten Gruppe gelang der Durchbruch zur libanesischen Grenze, darunter Paul Conroy, der gemäss Angaben der «Sunday Times» in «guter Verfassung und guter Stimmung» ist. Bei der Flucht starben 13 syrische Freiwillige, 3 aus Conroys Gruppe, 10 während des überstürzten Rückzugs nach Baba Amr.
Ricken Patel, der Geschäftsführer des Netzwerks Avaaz, spricht sogar von 23 Toten – und lobte die «schwindelerregende Tapferkeit» der Freiwilligen. Avaaz, eine Organisation mit globalem Anspruch und nach eigenen Angaben 13 Millionen Mitgliedern, hat Kampagnen gegen Korruption in Indien und Pestizide in Frankreich geführt, aber erst die Medienarbeit für die Aufständischen in Syrien hat die Gruppe bekannt gemacht. Seit Monaten hilft Avaaz, Journalisten über die Grenze zu schmuggeln. Nun unterstützte das Netzwerk auch die Flucht aus Baba Amr.
Letzte sichere Route ist aufgeflogen
Damit ist vorerst wohl Schluss. Mit dem Evakuierungsversuch sei die letzte sichere Route aufgeflogen, sagen Aktivisten laut CNN. Andere Verletzte können nun nicht mehr hinaus-, Lebensmittel und Medikamente nicht mehr hineingebracht werden. Das syrische Regime hat offenbar einen Vorstoss zur Rückeroberung der Rebellenhochburg Homs begonnen.
Insbesondere das Viertel Baba Amr ist in den vergangenen Wochen zu einem Symbol des Widerstands geworden. Etwa 100'000 Menschen sind dort von Truppen des Präsidenten Bashar Assad eingeschlossen, darunter auch zwei westliche Journalisten. Eine Gewährsperson in Damaskus sagte, das Viertel werde binnen Stunden «gesäubert». Nach Angaben von Aktivisten wurde auch in anderen Stadtteilen ein Angriff vorbereitet.
Baba Amr umzingelt
Wie aus syrischen Militärkreisen verlautete, rückten die Soldaten am Mittwoch auf Baba Amr vor. Das Viertel steht seit Anfang Februar unter heftigem Artillerie- und Raketenbeschuss. Mehrere hundert Menschen sollen dabei getötet worden sein. Die sich ankündigende Bodenoffensive der Streitkräfte Assads könnte sich den von Aktivisten gemeldeten Truppenbewegungen zufolge auch gegen die Stadtteile Bajada und Chaldije richten. Nach Angaben des Syrischen Observatoriums für Menschenrechte wurde dort der Strom abgestellt.
Auch in die Stadt Halfaja in der Provinz Hama drangen syrische Soldaten nach einem fünftägigen Bombardement vor, wie Aktivisten weiter berichteten. Die von Rebellen beherrschte Stadt Rastan, nördlich von Homs, werde weiter beschossen und es gebe weitere Opfer, hiess es. Mindestens zwei Tote seien zudem aus der Stadt Deir el-Sur und aus dem nördlichen Dorf Maghara gemeldet worden.
In Syrien sind nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten am Mittwoch erneut mindestens 15 Zivilisten ums Leben gekommen. Das teilte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Allein in der seit Wochen unter Beschuss stehenden Protesthochburg Homs starben demnach acht Menschen. Weitere Tote gab es offenbar im nahegelegenen Rastan, in der Region um die Hauptstadt Damaskus, in der nördlichen Provinz Idleb und in Deir Essor im Osten des Landes. Zudem seien acht Soldaten bei Kämpfen und Angriffen in den Regionen Aleppo und Daraa im Süden des Landes getötet worden.
UN-Nothilfekoordinatorin darf nicht einreisen
Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos teilte am Mittwoch mit, ihr sei von den syrischen Behörden erneut die Einreise verweigert worden. Sie sei «tief enttäuscht», dass Damaskus ihre Gesuche ausgeschlagen habe, Regierungsvertreter von höchster Ebene zu besuchen und über die humanitäre Lage zu sprechen, sagte Amos in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Offiziell heisst es aus Damaskus, man habe keine Termine frei.
Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay zitierte am Dienstag einen Bericht, in dem UN-Experten zu dem Schluss kommen, dass Mitglieder der syrischen Regierung für «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» verantwortlich sind. Aber auch Oppositionsgruppen werden in dem Bericht für Verbrechen verantwortlich gemacht. Die Zahl der Toten in dem seit elf Monaten anhaltenden Konflikt gaben die Vereinten Nationen am Dienstag mit mindestens 7'500 an.
Trotzdem will der Syrien-Beauftragte von UNO und Arabischer Liga, Kofi Annan, Syriens Präsident Baschar al-Assad weiterhin in eine Lösung des Konflikts einbinden. «Ich will versuchen, ihn auf den heute beginnenden Prozess zu verpflichten», sagte der frühere UN- Generalsekretär am Mittwochabend (Ortszeit) in New York. «Im Sinne des syrischen Volkes ist eine friedliche Lösung durch Dialog der einzige Ausweg.»
Annan will sofortige Feuerpause herbeiführen
Nach einem Treffen mit UNO- Generalsekretär Ban Ki Moon sagte Annan, er wolle «recht bald» nach Damaskus aufbrechen. Zuerst führe ihn aber sein Weg nach Kairo, um sich mit der Arabischen Liga abzustimmen.
Weiter kündete Annan an, er wolle auf eine sofortige Feuerpause drängen: «Die Botschaft ist klar: Das Töten und die Gewalt müssen aufhören, Hilfsorganisationen müssen Zugang erhalten. Es ist bedauerlich, dass beides noch nicht der Fall ist.» Seine Aufgabe sei «eine schwierige Verpflichtung und eine harte Herausforderung». Er werde aber «alles mir mögliche» tun, um das Ziel zu erreichen. Ban und Annan drängten alle Länder, mit einer Stimme zu sprechen, um den Konflikt zu beenden.
Angereichert mit Informationen von Sonja Zekri, Kairo
AFP/sda/kpn/jak/fko
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch