
Man muss den Mut haben, Werte zu haben. Es ist ein schöner Satz. Gesagt hat ihn vor Jahren einmal Pep Guardiola, ein Mann mit dem Hang zum Schönen. Er sprach ihn als Barcelona-Trainer, zu einer Zeit, als sein Ruf des Fussball-Poeten erstmals so richtig um die Welt rauschte.
Der Satz hat auch in diesen Tagen seine Berechtigung. Es ist gerade wieder en vogue, Mut und Werte zu haben.
Guardiola hat sie, Xavi Hernandez auch, Gerard Piqué ebenfalls. Alle drei sind sie Menschen aus der Welt des Fussballs. Einer Welt, in der vieles schön ist; in der vieles zum Schönen verklärt wird; in der vieles Unschöne nicht erklärt wird. Doch die drei Herren halten sich gerade nicht daran. Sie sprechen das Unmögliche im Sport an. Sie reden über Politik. Sie kritisieren eine Regierung, sie nennen die Polizeigewalt eine Schande für die Demokratie. Sie beziehen Position in der Katalonien-Frage.
Gewöhnlich betonen Funktionäre, dass Sport und Politik nicht vermischt werden sollen.
Man muss den Mut haben, Werte zu haben – dieser Spruch stand auch einmal auf dem Meistertrikot des FC Barcelona, jenes Clubs, der nun im Fadenkreuz politischer Emotionen steht. Ein Teil von Katalonien will unabhängig sein, Spanien will das nicht. Barcelona liegt in Katalonien, der FC Barcelona ist der grösste Fussballclub Spaniens und zugleich Teil der spanischen Liga. Das sind in diesen Tagen ungemütliche Schnittmengen.
Also wird der Club politisiert. Von den Spielern. Von den Vereinsoberen, die vor leeren Rängen spielen liessen, um der Welt ein Zeichen zu setzen, oder gar aus Protest zurücktraten. Aber auch Funktionsträgern aus Politik und Sport schalten sich ein: Ausgerechnet jene, die gewöhnlich betonen, dass Sport und Politik nicht vermischt werden sollen. Sie sagen, wer für die Unabhängigkeit votiert, soll doch auch in Kauf nehmen, dass Barcelona bald nicht mehr in der spanischen Liga spielt.
Sport, dieser gesellschaftliche Nebenschauplatz, wird auf die Bühne der Politik gezogen. Ein Club verkommt zum kräftigen Symbol, der FC Barcelona zur metaphorischen, unbewaffneten Armee der Katalanen.
In Barcelona sagt man gerne von sich, man sei «mes que un club», mehr als ein Club. Die Phrase hat in diesen Tagen auch seine Nachteile.
Haben selbst nicht den Mut
Guardiola, Xavi und Piqué aber, sie wollten doch gar nie so wichtig werden, sie meinten es doch ehrlich, sie wollten doch lediglich ihre Meinung äussern. Katalonien ist für sie so nah. Piqué hat darum eigens zu einer Pressekonferenz geladen und für Verständnis aufgerufen. Als er aber gefragt wurde, ob er ein Ja in die Urne gelegt habe, sagte er: «Das ist die Millionenfrage. Ich kann keine Antwort geben, ich würde die Hälfte meiner Fans verlieren.» Das ist diplomatisch, das ist vielleicht geschickt, aber bezüglich Mut und Werte auch nicht so wirklich konsequent.
Die drei Männer mögen in aller Inkonsequenz hehre Absichten verfolgen, eines geht aber in ihrem Eifer und dem Aufschrei der vergangenen Tage beinahe vergessen. Pep Guardiola ist Botschafter der WM in Katar, Xavi lässt beim al-Sadd Sport Club in Katar seine Karriere ausklingen, Piqué arbeitet für einen Verein, dessen Hauptsponsor bis vor Saisonstart noch aus Katar kam. Sie alle drei haben damit sehr, sehr viel Geld verdient. Mit und dank Katar, diesem Land, das nachweislich Menschenrechte verletzt, Minderheiten unterdrückt und viele Jahre von einer Demokratie entfernt ist.
Oh ja, Katar ist weit, weit weg von Katalonien. Umso mehr muss man die Überzeugung haben, Werte zu haben. Es macht glaubwürdig.
Video – Solidarität in Zürich
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Die unbewaffnete Armee der Katalanen
Die Katalonienfrage spaltet selbst den Fussball. Im Zentrum: der FC Barcelona und die Doppelmoralisten Guardiola und Co.