«Die USA verlieren ihren Ruf als verlässliche Wirtschaftsmacht»
Die Parteien haben bei ihrer Debatte um den Kompromissvorschlag zur Abwendung des US-Staatsbankrotts Fortschritte erzielt. Derweil warnen Finanzexperten US-Präsident Barack Obama vor einem Dominoeffekt.

Die amerikanische Schuldenkrise erschüttert das Vertrauen der Bündnispartner in die US-Regierung. Viele Länder fragen sich angesichts des festgefahrenen Etatstreits zwischen Demokraten und Republikanern, wie es sein kann, dass die USA für ein politisches Kräftemessen vor den Präsidentschaftswahlen 2012 einen Zahlungsausfall riskieren.
Internationale Finanzexperten fürchten, dass bei einer Zahlungsunfähigkeit nicht nur der Dollar abstürzt, sondern eine neue Krise auf den Weltmärkten bis hin zu politischen Unruhen drohen. Handelspartner der USA suchen bereits nach Alternativen. China expandiert in Lateinamerika und in anderen Ländern, die traditionell von den USA dominiert wurden.
Das Drama zwischen Republikanern und Demokraten hat die Glaubwürdigkeit der USA erschüttert. Der politische Einfluss der Amerikaner im Nahost-Konflikt und in anderen Krisen schwindet. Eine Wirtschaftsmacht, die ihren Haushalt nicht im Griff hat, geht nicht mehr mit gutem Beispiel voran. Welche Forderungen könnten die USA an andere Länder stellen, nun, da sie ihre Vorbildfunktion verloren hätten?, fragt der ehemalige Gouverneur der pakistanischen Zentralbank, Ishrat Husain.
Diskutieren, um dann «die richtige Lösung» zu finden
US-Aussenministerin Hillary Clinton versuchte vergangene Woche auf ihrer Asien-Reise zu beruhigen. Ja, die Schuldendebatte sei unschön, doch so sei es eben in einer Demokratie. Man diskutiere, um dann «die richtige Lösung» zu finden.
Seit der Finanzkrise im Jahre 2008, die von den USA auf andere Länder übergriff, ist das Image der Amerikaner als Supermacht angekratzt. Schwellenländer wie China, Brasilien und Südafrika beharren darauf, dass ihnen auf der politischen Weltbühne mehr Einfluss zugestanden wird. Die Zentralbanken vieler Länder schichteten vom Dollar in andere Währungen um - ein Trend, der sich bei einem Zahlungsausfall verstärkt fortsetzen dürfte.
Die derzeitigen Turbulenzen stellten die Rolle des Dollars im Internationalen Währungssystem stärker infrage als je zuvor, sagt der ehemalige libanesische Handelsminister und Chefökonom beim staatlichen International Finance Center in Dubai, Said Nasser Saidi.
Warnung vor Dominoeffekt
China als grösster Gläubiger der USA forderte Washington zu verantwortungsvollem Handeln auf. Die Investoren müssten unter allen Umständen geschützt werden. Die chinesische Regierung scheint zwischen den eigenen Ambitionen und wirtschaftlicher Notwendigkeit hin und hergerissen. Peking will, dass Washington seine Militärpräsenz in Asien abbaut und eine Weltwährung den Dollar ersetzt. Gleichzeitig ist die Volksrepublik von dem amerikanischen Hunger nach chinesischen Exporten abhängig und hat US-Staatsanleihen im Volumen von 1,1 Billionen Dollar (knapp 768 Milliarden Euro).
Angesichts der Schuldenkrise in Europa warnen Analysten bei einem Zahlungsausfall der USA vor einem Dominoeffekt. Eine Zahlungsunfähigkeit in den USA könnte «eine Wirtschaftskrise, dann eine gesellschaftliche Krise und schliesslich eine politische Krise auslösen», sagt der stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses der französischen Nationalversammlung, Charles de Courson. Historisch gesehen seien höhere Staatsschulden immer auch mit weniger Einfluss auf die Weltpolitik einhergegangen. Als Beispiel führt er die schwindende Macht Grossbritanniens nach dem Ersten und Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg an.
Der frühere Bundesfinanzminister Hans Eichel erklärte, bei einem Zahlungsausfall würden die USA ihren Ruf als verlässliche Wirtschaftsmacht verlieren - und das wäre fatal für die Weltwirtschaft. Trotz aller Befürchtungen überwiegt in der Welt noch die Hoffnung, dass sich Republikaner und Demokraten vor Fristablauf am 2. August in letzter Minute irgendwie zusammenraufen.
Hoffnung auf Einigung
Zurzeit verhandeln beide Seiten über einen Entwurf, der eine Anhebung des Schuldenlimits um rund 2,4 Billionen Dollar und in zwei Phasen Haushaltskürzungen im Umfang eines etwas höheren Betrags vorsieht.
Die mögliche Einigung würde auch eine Kongressabstimmung über einen Verfassungszusatz nötig machen, der einen ausgeglichenen Etat vorschreibt, hiess es in Washington. Noch immer ringen die Parteien in den USA unter Hochdruck um einen Kompromiss zur Lösung ihres Schuldenstreits. Der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, verschob gestern eine Abstimmung über einen Vorschlag der Demokraten zur Erhöhung der Schuldengrenze auf heute Mittag (19.00 Uhr MESZ).
Damit will er für die Gespräche hinter den Kulissen mehr Zeit gewinnen. Die Verhandlungen zwischen führenden Kongressmitgliedern beider Parteien und der Regierung von Präsidenten Barack Obama liefen, aber noch sei einiges zu klären, sagte Reid. «Ich bin zuversichtlich, dass eine langfristige Lösung gefunden werden kann», fügte Reid hinzu. Einzelheiten nannte er nicht. Nur kurz vorher hatte Reid sich noch deutlich pessimistischer geäussert. Die Republikaner verweigerten «Verhandlungen mit guten Absichten», sagte er.
Republikaner optimistisch
Deren ranghöchster Senator Mitch McConnell hatte dagegen Zuversicht geäussert, doch noch vor Ablauf der Frist zur Erhöhung des Schuldenlimits am Dienstag eine Einigung zu erreichen. «Ich denke, wir haben eine Chance, es zu schaffen», sagte er.
«Unser Land wird nicht das erste Mal in seiner Geschichte in Verzug geraten - das wird nicht passieren», sagte McConnell. Das republikanisch geführte Repräsentantenhaus hatte zuvor in einer symbolischen Abstimmung gegen einen Kompromissvorschlag der Demokraten votiert.
Seit Tagen schieben sich Demokraten und Republikaner gegenseitig die Schuld an der anhaltenden Blockade zu. US-Medien berichteten jedoch in der Nacht, beide Seiten näherten sich in der Frage der notwendigen Einsparungen immer mehr an. Unklar war aber, wie weit das Schuldenlimit von derzeit 14,3 Billionen Dollar erhöht werden solle.
SDA/jak/wid
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