Die vielen Tode des Khamis Ghadhafi
Am Montag meldeten Rebellen, Ghadhafis jüngster Sohn sei erschossen worden. Es ist bereits das vierte Mal, dass der Kommandant einer Spezialeinheit für tot erklärt wird.

Damals im März versetzte die Nachricht die Welt noch in Aufregung: Khamis al-Ghadhafi, Sohn von Machthaber Muammar al-Ghadhafi, sei bei einem Luftangriff in Tripolis getötet worden. Wenig später wurde die Meldung von der libyschen Regierung dementiert.
Gestern war es dann erneut soweit: Nach Rebellenangaben kam Khamis während eines Gefechtes nahe Turhuna ums Leben. Er sei höchstwahrscheinlich während eines Rückzuges auf der Strasse nach Bani Walid angeschossen worden und sei später seinen Verletzungen erlegen.
Die Nato betrachtet die Meldung als Gerücht. Der Sprecher des Militärbündnisses, Roland Lavoie, meinte dazu: «Es gibt eine Menge Behauptungen und Gerüchte über das, was mit ihm passiert sein könnte. Ehrlich gesagt: Ich weiss es nicht.» Lavois nüchterner und unaufgeregter Kommentar zum angeblichen Ableben von Khamis erstaunt kaum, wurde der Kommandeur einer Spezialeinheit der Regierungstruppe mittlerweile doch schon vier Mal für tot erklärt.
Auferstehung der Ghadhafi-Brüder
Erst am 23. August berichtete der Nachrichtensender Al-Jazeera, Rebellen hätten die Leiche von Khamis al-Ghadhafi neben jener des libyschen Geheimdienst-Chefs Abdullah al-Senussi gefunden. Zuvor hatten Meldungen den Ghadhafi-Sohn schon am 5. August und am 20. März für tot erklärt. Beide Male war er laut den Aufständischen Opfer von Luftangriffen geworden; entweder durch die Nato, oder, wie im März, durch einen Kamikaze-Angriff auf die Familienresidenz Bab al-Aziziya. Beide Male wurde sein Tod laut der «Welt» online wenig später von der libyschen Führung dementiert.
Ähnlich verhielt es sich mit der angeblichen Festnahme von Khamis' Bruder am 22. August. Mit grosser Überzeugung vermeldeten die Rebellen die Festnahme von Saif al-Islam und die Welt quittierte die Neuigkeit mit ebenso grosser Euphorie. Man glaubte den Ghadhafi-Sprössling schon an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) ausgeliefert. Die Ernüchterung kam nur einen Tag später, als sich Saif vor einem Hotel in Tripolis für die Kameras der internationalen Medien in Szene setzte.
Demoralisieren und abschrecken
Die Verbreitung von Gerüchten und Unwahrheiten gehört zu den wirkungsvollsten Instrumenten des Kriegs. «Es wird gelogen, getäuscht, vertuscht und vor allem abgeschottet,» sagte Peter Forster, Chefredaktor des Militärzeitschrift «Schweizer Soldat» kürzlich im Gespräch mit Redaktion Tamedia. Sowohl die Aufständischen als auch Ghadhafi und seine Söhne wüssten um die Wirkung abschreckender Botschaften und die Wichtigkeit der öffentlichen Meinungsbildung, so der einstige Kriegsberichterstatter.
Gleichermassen wie die Meldung von Saifs Festnahme und jene von Khamis' Tod hatte auch Saifs medienwirksames Dementi der Inhaftierung laut Forster eine stark Wirkung: Diese Botschaften würden die eigenen Reihen zusammenhalten, aber auch den Gegner demoralisieren und abschrecken. Gelernt hätten sowohl der Sohn als auch die Rebellen die Vorgehensweise während der Jahre des Ghadhafi-Regimes, meint David D. Kirkpatrick von der «New York Times». Nicht zuletzt Muammar al-Ghadhafi selber taucht immer dann über Audiobotschaft auf, wenn Rebellen wieder einmal mutmassen, der einstige Machthaber sei längst aus Libyen verschwunden. Ghadhafi markiere in seinen Botschaften Furchtlosigkeit und Souveränität, meint Peter Forster dazu. Er rufe seine Anhänger regelmässig zum Widerstand auf und zeige ihnen, dass er noch lebe.
So gilt es also abzuwarten, ob Khamis Ghadhafi tatsächlich tot ist, oder ob es sich erneut um ein Gerücht der Rebellen handelt. Trifft Letzteres zu, wird sich zeigen, ob Ghadhafi-Treue einmal mehr dementieren, oder ob sich Khamis gleich seinem Vater und Bruder Gegnern und Medien zeigen wird.
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