Die Wachrüttler
Pharrell Williams und N.E.R.D. proben wieder die ungestüme Energie.

Auch wenn uns das im Abstand von ein paar Jahren immer wieder weisgemacht wird: Es gibt keine Band mit dem Namen N.E.R.D.! Vielmehr handelt es sich dabei um eine Art Fluidum. Denn eigentlich ist dieses Akronym, das für «No One Ever Really Dies» steht und nun auch dem fünften Studioalbum seinen Namen gibt, gleichbedeutend mit den Träumen, Wünschen und Spleens des 44-jährigen Pharrell Williams. Seine Jugendfreunde Chad Hugo und Shay Haley, die das Projekt seit je nominell zum Trio machen, sind mit den Jahren mehr und mehr zur Bühnenstaffage degradiert worden. Der Nerd aus Virginia Beach, der es mit seinen Produktionen zum Weltstar und mit seinem Look zur Stilikone geschafft hat, schaukelt das Ding mehr oder weniger im Alleingang.
N.E.R.D. ist der Kanal für den vor Energie strotzenden Jugendlichen in ihm, der es einst als Profi-Skateboarder schaffen wollte, aber dafür dann doch zu sehr Musiker und zu oft im Studio war. Das Projekt hat mit «Rock Star», «Provider», «She Wants To Move», «Everyone Nose» oder «Hypnotize U» über die Jahre immer wieder Hits hervorgebracht. Songs mit Drive, die einen wachrüttelten und eine willkommene Abwechslung vom Einheitsbrei darstellten. Und die auch Jahre später noch recht frisch daherkommen.
Wer die Musiker einmal live erlebt hat, weiss allerdings auch, dass ihnen im dümmsten Fall das Schicksal aller Studioprojekte widerfährt: Auf der Bühne wirkt ihre Musik schlecht zusammengekittet, Williams' Stimme dünner als Seidenpapier. Die Alben von N.E.R.D. waren schon immer Ansammlungen von Crossover-Songs. Eine Mischung aus Rockhybriden, Hip-Hop-Verschnitten, Balladen und schroffen Tanzflächenstürmern. Mit der Single «Lemon» knüpft Williams dort an, wo er als Produzent des Kelis-Songs «Milkshake» vor fast 15 Jahren aufgehört hatte: mit einem tänzelnden, an den Electro-Funk der 80er und an modernen Trap gemahnenden Beat, über den Rihanna für einmal die Rapperin statt die Sängerin gibt.
Überhaupt sind die Rap-Einlagen hervorragend inszeniert: Gucci Mane, Hip-Hop-Star der Stunde, löst seine Aufgabe in «Voilà» genauso mühelos wie in der Folge Kendrick Lamar, M.I.A. und André 3000. Sogar der englische Barde Ed Sheeran, auf dem blubbernden Offbeat-Outro «Lifting You» zu hören, passt gut in dieses abenteuerliche Potpourri.
Trotzdem sind die besten Momente diejenigen, in denen sich Pharrell ganz auf seinen Gesang und die Melodieführung verlässt. In «Deep Down Body Thurst» lässt er aus einer Midtempo-Ballade nach und nach so etwas wie eine Clash-Nummer entstehen. Und «ESP» ist eine moderne Version einer Lee-Scratch-Perry-Hymne, samt grummligen Basstönen und Dub-Effekten. Gerichtet ist sie an die Energie, von der dieser fiebrige Nerd-Traum durchzittert ist.
N.E.R.D.: No_One Ever Really Dies (Columbia/Sony).
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